Björn: Hey Marcel, bist Du auch etwas von dem Schwyzerdütsch-Massaker von Hunger und Faber traumatisiert? Ist das die erste Platte von 2020, von der man eine posttraumatische Belastungsstörung bekommen kann? Okay, das klang jetzt vielleicht etwas arrogant. Was sagen Sie, lieber Kollege? Und wie war die Woche? Das mit dem Abstand beim Glühwein trinken, hat wohl nicht so gut geklappt.
Marcel: Tja, der Shutdown war wohl leider unvermeidbar. Jetzt sauf ich halt nur noch Glühwein zu Hause, wenn ich mit Dir Platten bespreche. Also zu Faber mit „Ich liebe dich“: ganz krude Mischung aus Folk, Chanson und „Schweizer Schmäh“. Und wie Sophie Hunger da mit rein passt weiss ich nicht. Ich brauche das Album ebenfalls nicht – Next!
Kommen wir zu der Beatsteaks EP. Die Berliner covern auf „In the presence of“ 6 Lieder ausschließlich weiblicher Künstlerinnen. Von Hildegard Knef bis L7. Ganz nett, gerade auch das L7 und Portishead Cover, aber braucht es das? Wie ist Deine Meinung?
B: Wenn Musiker meinen, dass sie zu den „Großen“ gehören, werden von ihnen auch immer „große Stücke“ adaptiert. Das ist jedesmal total langweilig – da nicht nur die ausgewählten Stücke völlig durchgenudelt sind – auch die Produktion ist dann immer voll boring. Ich würde sagen, dass die Beatsteaks mit ihrer EP dieses Prinzip ganz hervorragend verstanden und umgesetzt haben.
M: A propos! Gehört Taylor Swift mit „Evermore“ jetzt zu den Grossen? Ich habe diese Woche irgendwo gelesen, dass die Swift der Bruce Springsteen ihrer Generation sei. Puuuh…
B: So tiefgehend hab ich mich ehrlich gesagt noch nicht mit ihr beschäftigt. Rein musikalisch gefällt mir „Evermore“ aber ziemlich gut und besser als ihre letzte Überraschungsplatte. Das Lied „Champagne Problems“ hat mir sogar sehr, sehr gut gefallen. Aber die Bruce / Bleachers Kolla, die Du mir neulich geschickt hast, ist aus einer anderen Liga.
M: Ach Bruce❤️ hier nochmal der Link:
Ich find die Swift Platte auch richtig gut. Zwar ein bisschen ruhiger, aber dadurch ein stimmiger Nachfolger zu „Folklore“. Von „No body, no crime“ habe ich eine ziemlich heftigen Ohrwurm und zudem amüsanter, bissiger Text. Was will man mehr?
B: Mehr ist nur in dieser Woche das neue Album der Avalanches. Zur neuen Platte der australischen Samplekönige überschlägt sich die internationale Musikpresse ja geradezu. Mich hat das Album auch voll erwischt. Ich hab das 70 Minuten-Monster bestimmt schon 5x gehört. Das Feature mit Rivers Cuomo ist wahrscheinlich das Beste, an dem der Weezer-Chef in den letzten anderthalb Dekaden beteiligt war. Konntest Du mit der Platte auch etwas anfangen?
M: Schön, dass Du auch direkt so fragst! Ne, konnte ich ehrlich gesagt tatsächlich nicht. Schon ziemlich abgedreht. 25 Titel und dann so eine Mischung aus Whatsapp-Sprachnachrichten, Elektronikgedudel oder wie beim letzten Lied wildes Gepiepe. Ich finde da beim besten Willen keinen Zugang. Auch nicht nach dem 7ten Glühwein.
B: Das ist sehr schade. Ich finde Deine Formulierungen auch etwas kunstfeindlich und befremdlich. Aber vielleicht ist es einfach nicht Dein Ding. Sollen wir für dieses Jahr besser schließen und am nächsten Sonntag unsere Jahresalben vorstellen?
M: „Der größte Feind der Kunst ist der gute Geschmack.“ (Duchamp) Sei mir nicht bös, lieber Björn. Ich lege Dir auch was schönes unter den Baum. Beim Jahrespoll ist dann ja auch die ganze Redaktion wieder dabei. Bis dann!