Sperling aus dem entlegenen Hunsrück machen laut Pressetext Posthardcore mit Cello und Casper Rap Style. So weit, so gut.
Tatsächlich geht von der Band eine gewisse Faszination aus. Als ich die ersten Songs der neuen Platte ZWEIFEL gehört habe, dachte ich: „Wow, Crossover. Da traut sich aber jemand was.“ Und Schwupps, da haben wir es auch schon mit einem waschechten Dilemma zu tun.
Direkt zu Beginn der Platte echauffiert sich Sängrapper Johannes Gauch über die Eintönigkeit und den nicht besonders stark ausgeprägten Innovationsgeist der hiesigen Musiklandschaft. Dabei will man ihm entgegnen, dass Gitarrenmusik mit Sprechgesang jetzt auch nicht ein Garant für den Musikinnovationspreis 2021 ist. Nicht, dass wir uns falsch verstehen – wir als Methusalem-Redaktion sind sehr erfreut, dass das Genre, das sich Mitte der Neunziger mit Bands wie Downset, Thumb oder dem großartigen Soundtrack zum Film Judgement Night großer Popularität erfreute, eine Frischzellenkur verpasst bekommt. Dabei sind die Zutaten recht einfach. Gitarren, die nicht selten an FJØRT erinnern, der Sprechgesang, bei dem man am vielzitierten Casper-Vergleich nicht vorbeikommt und als „Neuerung“ verstärkt man das Ganze atmosphärisch durch den Einsatz eines Cellos.
Die oben erwähnte Faszination geht dabei aber nicht unbedingt von der atmosphärischen Tiefe aus, die das Cello den Songs verleiht, sondern vielmehr von der überdurchschnittlichen Produktion, gepaart mit einer hervorragenden Gitarrenarbeit. Exemplarisch hierfür sei der Song Stille genannt, an dessen Ende sich Gitarrenwände in bester Postrock Manier aufbauen und dem Song somit die musikalische Tiefe verleihen, die dem Rest von Stille ein wenig abgeht. Und genau hier liegt eine der Stärken von Sperling. Selten hat man ein Debut gehört, das es schafft, die durchaus vorhandenen dramaturgischen Schwächen durch wirklich spannend instrumentierte Turnarounds aufzufangen. Damit schafft es ZWEIFEL, den Spannungsbogen über die gesamte Laufzeit aufrechtzuhalten.
Bleibt zu hoffen, dass dieser Spannungsbogen trägt und ihm nicht das Adam Angst-Dilemma widerfährt, nämlich, dass aus dem anfänglich offenen Mund auf lange Sicht gepflegte Langeweile wird.
VÖ: 22.01.2021, Uncle M
Tracklist: Eintagsfliege/ Bleib/ Stille/ Toter Winkel/ Baumhaus/ Fuchur/ Relikt/ Laut/ Mond/ Tanz/ Zweifel/ Schlaflied
Ohr d’Oeuvre: Stille/ Baumhaus/ Relikt
Gesamteindruck: 7/10