Fortuna Ehrenfeld sind ein Phänomen. Man mag sie oder kann rein gar nichts mit ihnen anfangen, wobei der Club der Ersteren gefühlt immer größer wird. Wenn sogar die selbsternannte „Ich finde alles scheiße, was alle gut finden“-Giftnatter der Musikjournalie, Linus Volkmann, zugibt, dass er dem Charme der Truppe um Martin Bechler erlegen ist, dann steht der Weltherrschaft nicht mehr viel im Wege.
Wir, der Südstädtische Teil der Redaktion, müssen ja etwas kleinlaut zugeben, dass wir uns an Fortuna Ehrenfeld etwas sattgehört und sattgesehen hatten. Nicht der Fehler der Band, sondern vielleicht unser, da wir in den letzten Jahren alles aufgesogen haben, was die Band gemacht hat. Umso skeptischer war der Blick bei der Ankündigung des neuen Albums „Die Rückkehr zur Normalität“. Diese Skepsis wurde auch nicht weniger, als die Info durchsickerte, dass die Band nicht mehr beim Label Grand Hotel van Cleef ist. Also, Unvoreingenommenheit my ass! Umso erstaunlicher, wenn man weiß, wie schwer es ist, die Südstädtische Skepsis zu überwinden. Um es vorweg zu sagen: Fortuna Ehrenfeld haben diese nicht nur überwunden, sie haben die Skepsis pulverisiert. „Die Rückkehr zur Normalität“ ist eine Werkschau der Band. Ein Album, das alle positiven Facetten der letzten Alben bündelt und als Hoffnungs-Hymnen-Meisterwerk den Postpandemie Sommer prägen wird. Dabei spielen sie ihre Stärke aus, trotz aller Albernheiten und trioeskem Dadaismus nie in Banalitäten abzurutschen.
Der erste Song „Arschloch, Wichser, Hurensohn“ ist dabei eine Fortführung des Songs „Bengalos“ vom Album „Hey Sexy“. Bechler, Fan vom „Karnevalsclub im Kölner Westen“, nutzt den Ausruf der Kurve in Richtung des Torwarts beim Abschlag, um ihm in Form des Songs ein wenig an Schärfe zu nehmen, die der Ausruf sonst im Stadion vermittelt. Exemplarisch ist bereits hier die Subtilität, mit der Bechler textet. Er triggert die Synapsen des Hörers, Dinge in die Songs hineinzuinterpretieren, lässt dabei aber offen, ob die Interpretation auch nur im Ansatz richtig ist. Er liefert sozusagen Leinwand, Pinsel und Farbe und der Hörer malt das Bild, das während des Hörens der Songs im Kopf herumschwirrt.
Fortuna Ehrenfeld Alben sind Zitatfeuerwerke. Sie bieten derart viele kongeniale Textzeilen, dass man gar nicht weiß, was man sich zuerst auf die Arschbacke tätowieren lassen soll. Immer wieder erwischt man sich bei der Frage: „Wie kommt der grummelige Mann mit dem Schlafanzug auf so eine Textzeile?“
Wobei „Die Rückkehr zur Normalität“ nicht nur textlich zu überzeugen weiß, sondern mehr noch als die Vorgänger auch musikalisch eine deutliche Weiterentwicklung ist. Sicherlich auch ein Verdinest von Jenny Thiele an den Tasten und Jannis Knüpfer am Schlagzeug.
Klar, manche Songs, wie z.B. die „Anleitung zum Sha-la-la“, erinnern an Songs der vergangenen Alben, was aber kaum ins Gewicht fällt, denn der Anspruch der Band dürfte nicht sein, das Rad auf jedem Album neu zu erfinden. Eindeutig zu erkennen ist die Weiterentwicklung auch bei der zweiten Single „Das Imperium rudert zurück“. Irgendwo zwischen Hymne in bester Bruce Springsteen-Manier und Rockoper, zeigt die Band hier, wie völlig unkartoffelig deutschsprachige Musik klingen kann. Ein Song – und das ist in diesem Fall ein Kompliment – der als Sommerhit genauso funktioniert wie Altweiber um 01:30 Uhr in der Hammond Bar. Das muss man erst mal schaffen.
Dieses Album schreit danach live gespielt zu werden, was die Band in diesem Sommer auch ausführlichst machen wird und wisst ihr was – wir werden trotz Sättigungsgefühl wieder dabei sein.
So, „wir saufen jetzt in der Südstadt und lassen euch da sitzen, bis ihr „sternzehagelvoll“ nach Hause geht.“
VÖ: 04.06.2021 / Tonproduktion / Rough Trade
Tracklist: Arschloch, Wixer, Hurensohn!/ Das Imperium rudert zurück/ Die panamoralische Lie-be/ Die Durchnummerierten im Irish/ Anleitung zum Sha-la-la/ Die Rückkehr zur Normalität/ Lieblingsknutschigroßstadtradio/ Glitzerfummel, Moonboots/ Grazie de là Kotze/ Accidental orange
Ohr d’Oeuvre: Das Imperium rudert zurück/ Die Durchnummerierten im Irish/ Grazie de là Kot-ze/ Accidental orange
Unsere Wertung: 8/10