Dass Interviewgäste in der Harald Schmidt Show, mehr und bessere Gags als der Meister selber in der Gesprächssituation platzieren konnten, war eher selten der Fall. Das Interview mit Sophie Hunger ist in jeglicher Hinsicht hochinteressant: Zum einen erkennt man bereits deutliche Zeichen der irreversiblen Desillusionierung Schmidts und dass sein pathologischer Zynismus kein gutes Geschäftsmodell, für eine lebenslange Relevanz in der Unterhaltungsbranche ist. Sophie Hunger ist im Gespräch exakt wie in ihrer Musik. Sie ist lustig, schlagfertig, verwegen und in jedem Moment für eine Überraschung gut.
Seit fast zwanzig Jahren steht Sophie Hunger auf der Bühne; wenn man ihre Zeit als Gastsängerin bei Superterz berücksichtigt. Sie hat bisher acht Alben veröffentlicht. Ihr Sound hat sich über die Jahre immer wieder verändert. Und das ist fast noch untertrieben. Aber anders als bei den meist männlichen Rockbands, die zur Produktion der zweiten Platte plötzlich auch ihre Vorliebe für Kokain und Keyboards entdecken, gab es bei Hunger keine stilistischen Brüche. Die Neuausrichtungen im Klangbild und Songwriting wirken nie wie eine Anpassung an den Zeitgeist oder an Erwartungen – sondern kommen von innen und fühlen sich so an, als wären sie für Hunger lebensnotwendig.
Wie keine Zweite und kein Zweiter beherrscht Sophie Hunger die große Kunst einen Song zu schreiben, in dem anfangs eher harmlose und vermeintlich belanglose Sachen verklickert werden; der dann aber völlig unerwartet die Richtung wechselt, indem etwas folgt was im ersten Eindruck mit dem vorangegangenen Teil in keiner Verbindung steht, aber stets mit einer emotionalen Wucht – oft mit entwaffnender Ehrlichkeit – den / die Zuhörer:in letztendlich mit einer Wahrheit konfrontiert. Das ist wahrscheinlich – ob in der bildenden Kunst, im Film, in der Literatur, oder eben in der Musik – die allergrößte Qualität, die ein Kunstwerk überhaupt haben kann. Die Überrumpelung passiert aber keinesfalls nur auf der Textebene, sondern auch bei den Harmonien. Sophie Hunger macht Ultrakunst. Sophie Hunger ist eine Hardcore-Songwriterin.
Was man auch noch feststellen konnte ist, dass die Konzerte von Sophie Hunger im Laufe der Jahre immer besser geworden sind. Vor einigen Jahren hatten ihre Shows manchmal einen etwas kunsthandwerlichen Charakter. Der ist verschwunden, dafür gibt es die Überrumpelung jetzt auch in der Liveversion. Wahrscheinlich haben das auch schon andere festgestellt. Die Hallengröße – und das ist die letzte wirkliche Währung der Musikindustrie – ist mit der Veröffentlichung jeder neuen Platte sukzessive gewachsen. Und ein Ende dieser Entwicklung ist momentan nicht abzusehen.
Foto: Nadia Tarra