Ab Mitte der 1960er Jahre versorgt die österreichisch-deutsche Produktionsfirma Lisa Film den deutschen Sprachraum mit Lustspiel-Ware, maßgeschneidert für die Kernzielgruppe „posttraumatisierte Wehrmachtsangehörige und ihre co-traumatisierten Familienmitglieder“. Ungefähr 25 Jahre funktioniert das Geschäftsprinzip bestens. Mit dem Eintritt des Kundenstamms in Altersheime oder Friedhöfe verschiebt sich das Geschäft gegen Beginn der 1990er Jahre vom Kino erst in die privaten – und dann für die überlebenden Zuschauer:innen – in die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Die westdeutsche Sexwelle hält eher in gezähmter Form Einzug ins Oevre der Lisa-Film. Die Ausnahmen, die mit Sadismen, Misogynie und der völligen Abwesenheit von gutem Geschmack punkten, wollen wir unserer Leserschaft aber natürlich keinesfalls vorenthalten. Erwähnenswert wären da die vier mit Vielfilmer Jesús Franco Anfang der 80er Jahre entstandenen „Grübelfilme“ (Christian Keßler) „Jungfrau unter Kannibalen“, „Sadomania – Hölle der Lust“, „Die Säge des Todes“ und das Opus magnum „Die nackten Superhexen vom Rio Amore“. Dialogzeilen wie „Ich fahr dir mit dem Jeep genau über deine Muschi“ oder „Ich bin Bezirksleiterin im Stabhochwichsen“, können interessierte Zuschauer:innen jedoch nicht ansatzweise auf das Arthaus-Werk vorbereiten. Unbedingt vorab ausreichend Duschzeug besorgen!
Aber es befinden sich tatsächlich auch ungehobene Schätze unter den rund 300 Produktionen. Uneingeschränkt zu empfehlen wären „Griechische Feigen“ von Sigi Rothemond aka Siggi Götz, die Fallada-Adaption und Co-Produktion mit Constantin Film „Jeder stirbt für sich allein“ von Alfred Vohrer. Und die beiden Rolf Olsen Filme „Das Rasthaus der grausamen Puppen“ und „Blutiger Freitag“; wobei letzterer (im Gegensatz zum ersten) bereits restauriert und ungekürzt in HD vorliegt.
Der Überraschungserfolg „Piratensender Powerplay“ wäre ohne die (in Bezug auf den Hauptrollen-Credit eher kurz ausgefallene) Leinwandpräsenz von Mike Krüger und Thomas Gottschalk, ein typischer, deutlich in den 1970er Jahren verankerter Wörthersee-Film. Wörthersee-Filme sind in der Regel mit prominenten TV- oder Schlagerstars besetzt, bei denen die männlichen Figuren des Casts irgendwann im Laufe der Handlung in Frauenklamotten, bei mittelmäßig inszenierten Slapstick-Szenen zu bewundern sind. Als Genre-Höhepunkt kann der psychotronische „Rudi, benimm dich!“ aus dem Jahr 1971 betrachtet werden.
Der Nachfolgefilm „Die Supernasen“ enthält auch die erwähnten Trademark-Elemente. Aber ganz so einfach ist es dann auch nicht. Das Wörthersee-Genre erfährt hier eine erste Berührung mit der Postmoderne.
Zwar fällt diese gegenüber dem metamodernen Werk „Die Einsteiger“, dem letzten Film, den Gottschalk und Krüger zusammen gedreht haben, noch sehr bescheiden aus. Die Referenzen aus der Popkultur sind jedoch unübersehbar. Im Gegensatz zu „Piratensender Powerplay“, der noch das ganze bewährte Arsenal der Vergangenheit auffährt und durchaus, nicht zuletzt durch eine attraktive Besetzung (dem Vollblut-Komödianten und promovierten Psychologen Gunter Philipp, dem vor wenigen Wochen verstorbenen Schauspieler, Synchronsprecher und Kabarettisten Rainer Basedow, DEM bayrischen Volksschauspieler Willy Harlander und Mr. Lisa Film himself: Otto Retzer, der für viele Lisa-Produktionen Aufnahme-Leiter und in unzähligen Nebenrollen zu bewundern war) zu unterhalten weiß, setzt „Die Supernasen“ ganz auf die Popularität (und den neuen Humor) seiner beiden Hauptdarsteller.
Während „Piratensender Powerplay“ knapp 1,3 Millionen Kinozuschauer verzeichnen konnte, was bereits ein großer Erfolg war, lockten „Die Supernasen“ im Jahr 1983 über 2,7 Millionen zahlende Gäste in die westdeutschen Kinos. Von den vier Filmen der Gottschalk / Krüger Kollaboration ist er auch der unterhaltsamste. Der Nachfolgefilm „Zwei Nasen tanken Super“ scheitert trotz höherem Budget an seinen eigenen Ambitionen. Er funktioniert weder als Kriminalkomödie, noch als Rom-Com. Das Frauenbild ist aber wenigstens noch weniger verheerend geraten, wie im unendlich misogynen „Zärtliche Chaoten“, für den Gottschalk selber das Drehbuch verfasste.
Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums um die Entstehung des Supernasen-Films, lädt die Produktionsfirma Lisa-Film am kommenden Freitag an den Wörthersee. Gottschalk und Krüger werden ihren Händeabdruck im Veldener Beton – auf der Starmeile – hinterlassen, bevor dann eine geschlossene Veranstaltung, mit Programmpunkten wie „Mike singt ein Lied“, „DJ Tommy legt zum Essen eine LP vom Piratensender auf“ und „Überraschungsgast der 1980er-Jahre: Michael Winslow mit Showact“ auf ein Cringefest der Sonderklasse hoffen lassen. Ab 14 Uhr findet an dem Tag auch ein öffentlich zugängliches Binge-Watching der vier Supernasen-Filme im alten Casino statt. Kinokarten sind vor Ort erhältlich.
Fotos: Lisa Film
Die vier Filme sind im Amazon-Prime Abo enthalten.