Das ist „nichts“ [nɪçt͡ s – nicht das mindeste, geringste, in keiner weise etwas]. Wie soll man sich dem jetzt nähern? Visuell? Hörend? Olfaktorisch? Was das Ganze abrunden würde. Am Besten erstmal mit der vertrauten Schablone meiner Review-Word-Vorlage: Mit „nichts“ bringen die drei Aachener Mannen von Fjørt, nach nunmehr fünf Jahren Wartezeit, ihr viertes offizielles Album bei unseren Freunden vom Grand Hotel van Cleef heraus. Und machen einen weiteren Schritt tiefer hinein in ihre ganz eigene Welt.
Näherung: Der 11.11.22 ist ja ehr so ein Datum für Hochzeiten, den Sessionsbeginn des gemeinen Kölners oder für Menschen mit Zahlenfetisch auch ein 11plus11gleich22, Quersumme 4jørt.
Tuchfühlung: „nichts“ ist ein weiterer Baustein im Gesamtkunstwerk des Trios. Man muss es den Jungs echt lassen, an so einem geschlossenen Markenkonzept verzweifelt so manch andere „große“ Band. Das Cover Artwork zählt zum Besten, was ich seit langer Zeit gesehen habe. Reduziert und doch so gewaltig und direkt in Bild und Sprache.
Eintauchen: Fjørt sind sich ein weiteres Mal, auf eine Art und Weise treu geblieben, die ihnen zurecht einen Ausnahmestatus in der deutschen Indie-Musiklandschaft beschert, ohne dabei auf der Stelle zu treten. „nichts“ ist noch dichter und raffinierter produziert und arrangiert als der Vorgänger „Couleur“ und wartet hier und da sogar mit Gesang, statt Geschrei auf. Was der Band echt gut steht.
Abtauchen: Es beginnt gleich mit dem Titeltrack in altbekannter Fjørt-Manier. Ein Flirren, langsam, aber bestimmt rollt Frank Schophaus das Schlagzeug rein, abrupt folgt der „Gesangschrei“ „Kein Mucks, kein Rauschen. Das muss sich jetzt lohnen…“, während die typischen Fjørt Gitarren und Bassläufe in den Song hinein treiben. Und dann? Mitten im Song gibt es einen ersten zarten und kurzen Gesangspart: „Zeug in den Adern, komm mach mich taub“. Diesen Kontrast zwischen Geschrei, Gesang und fast Sprechgesang (kolt) erlauben sich Chris Hell und David Frings in fast allen Songs. Es folgen „sfspc“, „salz“ und die grossartigen Nummern „feivel“ und „schrot“.
Auftauchen: Nach „kolt“ rinnt „wasser“ mit ruhigen Hendrix-haften Riffs durch die klassische (Vinyl-)Album-Mitte. Bevor „bonheur“, „fünfegrade “ und „lakk“ fast am Pop schrammen und wie von einem anderen Album, aber der gleichen Band wirken, um dann in „fernost“ alles wieder zu einem Ganzen zu fügen. „tau“ schlüsselt die Formel zu „nichts“ für uns auf in: wir – nicht das mindeste – geringste – in keiner weise etwas – nur das was übrig ist.
Ausstieg: Mit „lod“ wird der Hörer schlussendlich aus dem Album heraus getrieben und die anfängliche Frage der Näherung energisch und eindringlich ausgehämmert. Keine Schablone, keine Vorlage funktioniert hier. Fjørt bleiben Fjørt und das ist gut so. Jeder wird sich, innerhalb der gegeben Leitplanken, seinen eigenen Zugang schaffen und spätestens nach dem vierten Hörduchlauf zum Ticketshop der Band navigieren und sich für eines der anstehenden Konzerte der nichts hat mehr bestand 2023 Tour anzumelden. Live macht „nichts“ bestimmt noch mehr Spass!
VÖ: 11. November 2022, Grand Hotel van Cleef, fjort.de
Tracklist: nichts/ sfspc/ salz/ feivel/ schrot/ kolt/ wasser/ bonheur/ fünfegrade/ lakk/ fernost/ tau/ lod
Unsere Wertung:
Ohr d’Oeuvre: nichts/ feivel/ wasser
Gesamteindruck: 8/10
„nichts hat mehr bestand“ Tour 2023
18.01. Rostock, Peter Weiss Haus
19.01. Leipzig, Werk 2 Halle D
20.01. Münster, Sputnik Halle
21.01. Bremen Schlachthof
26.01. Essen, Zeche Carl
27.01. Hannover, Musikzentrum
28.01. Stuttgart, Im Wizemann (Halle)
29.01. München, Ampere
30.01. Wien, Arena Halle
31.01. Erlangen, E-Werk
01.02. Dresden, Beatpol
02.02. Berlin, Metropol
03.02. Hamburg, Fabrik
04.02. Wiesbaden, Schlachthof
05.02. Köln, Gloria