Eine Band, die einen nie verlässt und ein Album mit dem nicht unbedingt zu rechnen war. Pale erschaffen mit THE NIGHT, THE DAWN AND WHAT REMAINS ein opulentes und überraschend leichtes Abschlusswerk, auch wenn der Kern ein trauriger ist.
Kann diese Platte objektiv besprochen werden? In meinen und ich glaube nicht nur in meinen 20’ern waren Pale irgendwie immer da. Sie waren nicht nur Defiance Helden, die sich in jeder Bumsbude den Arsch abgespielt haben, sondern haben auch irgendwie den Beweis angetreten, dass guter Emo vor der Haustür gemacht wird, von Leuten wie Dir und mir. Nur mit dem Unterschied, dass die Jungs immer ein Riesenherz hatten. Von Herzen hat man ihnen den Wechsel zum Grand Hotel van Cleef und damit in eine größere Öffentlichkeit gegönnt. Anders und eigen waren sie dabei die ganze Zeit, immer ein leichter Mod- Einschlag, The Jam Cover, alles etwas souliger. Der Einfluss auf den Sound nahm von Platte zu Platte zu, um bei BROTHER, SISTER, BORES! ihren Höhepunkt zu erreichen. Dann auf dem Immergut 2009, letztes Konzert, Schluss, aus!
Jetzt also 13 Jahre danach: THE NIGHT, THE DAWN AND WHAT REMAINS. Eine Platte, die von den Schicksalsschlägen der letzte Jahre in den Texten – allen voran dem Krebstod von Gitarrist Christian Dang-anh und dem gesundheitsbedingten Ausstieg von Schlagzeuger Stephan Kochs – geprägt ist. Ihren Ursprung hat sie denn auch in den düsteren Zukunftsaussichten, welche die Gründungsmitglieder 2019 nochmal zusammen gebracht hat, um neue Songs zu schreiben.
Herausgekommen ist eine Platte, die soviel Wärme, soviel Pop ausstrahlt, dass sie für sich steht und mit nach ganz oben gehangen werden muss in der Pale-Platten-Galerie. Vielleicht ist dies das einzig gute an der ganzen Situation. Die Band muss keinem Karriereplan mehr folgen, muss keine Erwartungen erfüllen, außer den eigenen und heraus gekommen sind zehn großartige Songs, mit viel, manchmal soviel Herz, dass man kurz innenhält, um erstmal den eigenen Kopf -Film zu Ende abzuspulen. Die Instrumentierung ist opulent mit Bläsern, Streichern und einem unverwüstlichen Saxophon in „New York“. Sie verleihen den Songs eine zusätzliche Tiefe. Meist umweht die Songs trotz der eher autobiographischen Inhalte und den eher schwermütigen Rückblicken, die den Werdegang der Band und der Mitglieder beleuchten, eine beschwingte Leichtigkeit. Tatsächlich bleiben einige wegen ihrer Hooks wie in „Wake up“, „All the good, good things“ direkt hängen. Allerdings gilt das nicht für alle Lieder. Bei einigem bleibt einem schon ein Klos im Hals hängen. Sei es in dem emotionalen mit nur Piano startendem „Bigger than Life“, was eine musikalische Verneigung des verstorbenen Christian Dang-anh ist, ebenso wie bei „Man of 20 lives“. Beim abschließenden „Someday you will know“ wird die ganze Story von Pale noch einmal zusammen gepackt mit dem Ausblick, dass das letzte Konzert noch nicht gespielt ist. Ja, und das kommt dann nächstes Jahr.
Für den Moment kann man sich nur tief verneigen, THE NIGHT THE DAWN AND WHAT REMAINS auf Dauerschleife legen und sich auf die Auftritte freuen.
VÖ: 25.November 2022, Grand Hotel van Cleef, Pale
Tracklist: Wherever you will go / Tonight (we can be everything)/ New York/ Man of 20 Lives/ Bigger than Life/ All the good good things/ Still you feel/ 500 Songs/ Wake Up/ Someday you will know
Unsere Wertung:
Ohr d’Oeuvre: Bigger than Life/ All the good good things/ Still you feel
Gesamteindruck: 9/10