Als in der Umbau-Pause, nach dem zermürbenden und gefühlt mehrere Stunden andauernden Support-Set von Sam Burton und Haylie Hostetter aka Lady Apple Tree, deren bester Moment die Adaption des THE LOVIN‘ SPOONFUL, bzw. Cass Elliot Klassikers „Didn’t want to have to do it“ ist (die darauf folgende euphorische Reaktion des Publikums, muss den Interpreten in Relation zum eigenen – vorsichtig ausgedrückt – eher mediokeren Werk, wahrscheinlich beinahe unangenehm vorkommen), die Titelmusik von Riz Ortolanis Musik zum Feel Good Klassiker „Cannibal Holocaust“ ertönt, wird man zwangsläufig daran erinnert, dass die Karriere von Natalie Mering (bevor sie unter dem Namen Weyes Blood weltberühmt wurde) in Underground Bands wie SATANIZED und JACKIE-O-MOTHERFUCKER ihren Anfang nahm.
Nach dem Kannibalen-Schlager folgt ROXY MUSICs „More than this“. Wenn das vermeintliche oder eigentlich eindeutige Statement, so viele der anwesenden Zuhörer:innen verstehen, wie den später name-gedroppten genialischen britischen Essay-Filmer Adam Curtis kennen, haben jetzt drei Personen in der Kulturkirche eine „Erleuchtung“.
Das dreizehn Songs umfassende Set (ausschließlich mit Stücken der letzten beiden auf Sub Pop erschienenen Erfolgsalben) der 34-jährigen Kalifornierin, begeistert das Publikum mit einer annähernd 1:1 werkgetreuen und perfekten Reproduktion des Studiomaterials. Man hat wirklich sämtliche Overdubs aus der Konserve parat. Einzig die etwas scheppernde Snare Drum erinnert daran, dass man einer Live-Aufführung beiwohnt. Den dritten Song „Something to Believe“ kündigt Mering etwas schulmeisterlich („You know what I’m talking about ?“) an. Nicht das letzte Mal, dass an dem Abend mein nicht abstellbarer und fast immer richtig liegender Arschloch-Detektor kurz anschlägt. It takes one to know one.
Die in Bezug auf die Ähnlichkeit der Stimme (und den teilweise verwendeten Harmonien beim Songwriting) in den Sinn kommende These, Weyes Blood wäre ein, um Räucherstäbchen erweitertes, Aimee Mann Rip-Off für Millennials, hält jedenfalls nicht stand. Dafür ist das Durchschnittsalter des anwesenden Publikums zu hoch. Dass man kein Konzert von Aimee Mann besucht hat, wird deutlich, als Mering das rot leuchtend, angedeutete Herz auf ihrer Brust (vom Artwork des letzten Albums „And In Darkness, Hearts Aglow“) in ihre Bühnenperformance integriert. Spätestens beim Kate Bush-Gedächtnis-Tanz zu „Movies“, gibt es in der unbestuhlten (!) und restlos ausverkauften Kulturkirche endgültig kein Halten mehr.
Das Berliner Publikum war (laut Social Media) ebenfalls nach dem Konzert (am letzten Samstag im Festsaal Kreuzberg) restlos aus dem Häuschen. Ich hätte bedenken müssen, dass meine cinephilen und etwas exzentrisch anmutenden (aber sehr liebenswerten Digital-) Friends aus der Hauptstadt, auch große Fans von Til Schweiger und Anika Decker Filmen sind.
Hier gibt es noch zum Nachhören, die um die Berlin-Zugabe erweiterte Setlist:
Klasse, Björn Küster, wir waren auf dem gleichen Konzert!