– DA SEIN. BEING THERE –
Ziemlich genau 40 Jahre ist es nun her, dass eine Gruppe von 14 Messdienern im beschaulichen Haldern am Niederrhein aus einer Not eine Tugend machten und so das Haldern Pop Festival aus der Taufe hoben. Dass aus dieser gesunden Portion Aktionismus, gepaart mit einer noch gesunderen Portion Entdeckergeist einmal eines der wichtigsten Indie Festivals des Landes entstehen würde, war weder geplant noch abzusehen. Auch heute ist dies wahrscheinlich in den Augen der Festivalmacher nie der Anspruch des Festivals gewesen, sondern vielmehr, einen Ort zu schaffen, um die Musik zu den Menschen im ländlichen Raum zu holen und somit die Sehnsucht der Menschen nach guter Musik zu stillen.
Dies mag zunächst nach einem sehr bescheidenen Ansatz klingen, ein jährliches Festival zu planen, aber genau diese Bescheidenheit ist es, die das Festival zu einem der wichtigsten Termine für einige Tausend Musikbegeisterte im Jahr hat werden lassen. Diese Bescheidenheit manifestiert sich auch darin, dass man in Haldern das 40. Jubiläum nicht mit Pauken und Trompeten feiert, sondern daran festhält, was dem Festival in den letzten 40 Jahren einen hervorragenden Ruf über die Landesgrenzen hinaus beschert hat: Viele der bekannten, wundervollen Spielorte, eine liebevolle Organisation und einige, wenige Neuerungen. So wird es in diesem Jahr die Markt Bühne im Ort vor der Pop Bar nicht mehr geben und das Niederrheinzelt wird kein Zelt sein, sondern ein Freiluft-Spielort. Auch das Line Up ist eine gute Melange aus neuen Künstler*innen und alten Bekannten.
Klar gibt es auch die, denen das Line Up zu experimentell mit zu vielen Unbekannten ist. Aber genau das ist es doch, was Haldern im Vergleich zu den Hurricanes und Rock am Rings dieser Welt so interessant und einzigartig macht. Während man bei vielen anderen „Events“ den Eindruck hat, sie sind nur noch Mittel zum Zweck, nämlich den zahlenden Kund*innen etwas zu verkaufen, so ist in Haldern das Vertrauen in die Veranstalter und das Dorf die Währung. Und während man auf diesen „Events“ immer öfter enttäuscht wird, weil man feststellt, dass nicht die Musik oder das Publikum den Mittelpunkt darstellen, schafft Haldern es immer wieder, mit Hilfe der Künstler*innen und des Publikums Momente zu schaffen, die man noch lange nach dem Festival mit sich trägt und an die man sich gerne zurückerinnert. Wahrscheinlich kann jeder, der in den letzten 40 Jahren mal auf dem Festival war, von solchen Momenten berichten und vielleicht auch immer noch davon zehren.
Klar, man braucht einen gewissen Entdeckergeist. Der wird aber belohnt, wenn man sich auf Bands und vor allem auf die unterschiedlichen Spielorte einlässt. Denn, wo welche Band spielt, ist sehr bewusst ausgewählt und oft ist es die Kombination aus Ort, Band und Publikum, aus der die besondere Magie des Moments entsteht.
Wir haben für Euch, wie immer völlig subjektiv, einige Bands herausgesucht, die ihr Euch angucken solltet.
GET JEALOUS: Donnerstag 12:40 Uhr Haldern Pop Bar
Bereits zum Beginn des Festivals wird GET JEALOUS aus Enschede die Pop Bar ordentlich auf links ziehen. Wer die Band bereits auf dem diesjährigen Orange Blossom Special in Beverungen gesehen hat, weiß, wovon wir sprechen. Die anderen sollten sich selbst von der Spielfreude und den mitreißenden Punksongs überzeugen. Wahrscheinlich ist man in den letzten 40 Jahren recht selten so schwungvoll in das Festival gestartet.
BROCKHOFF: Donnerstag 20:20 Uhr Niederrheinzelt
BROCKHOFF aus Hamburg schaffen es ganz wundervoll, ruhige Popsongs innerhalb kürzester Zeit in unprätentiöse Indiewälzer zu transformieren. Zunächst wird man durch eher zerbrechliche Gitarrenklänge „eingelullt“, bevor es aus den Songs in schönster 90’er „Schrammel-Indie-Manier“ herausbricht. Da ist ganz viel Dinosaur Jr. und Pavement drin, aber vor allem ist das BROCKHOFF.
WUNDERHORSE: Donnerstag 21:45 Uhr Spiegelzelt
WUNDERHORSE, das ist in erster Linie Jacob Slater. Die Nerds horchen auf, wissen sie doch, dass Slater bis 2017 Frontmann des Punk-Trios Dead Pretties war. Eine Pandemie später hat Slater dem Punk abgeschworen und ist eher in klassischen Indie Gefilden mit gelegentlichen Americana Einflüssen unterwegs. Dabei stehen die Geschichten Slaters im Mittelpunkt, die von wunderbar treibenden Gitarren begleitet werden.
SORRY: Donnerstag 23:45 Uhr Spiegelzelt
SORRY aus London sind zweistimmiger Gesang, mal laute, mal stoische Gitarren und ein beeindruckendes Songwriting. Auf der Insel hoch gehandelt, wird der Indie-Vierer live allen Vorschusslorbeeren gerecht. Sowas wie WET LEG in gut.
PANIC SHACK: Donnerstag 02:15 Uhr Spiegelzelt
Nach so viel Indie packen PANIC SHACK zu später Stunde im Spiegelzelt die Punk Keule aus. Nicht ganz so melodiös wie GET JELOUS, sondern eher klassisch. Da passt, dass die vier aus Cardiff im Vorprogramm von den in Haldern ebenfalls gern gesehenen Amyl & The Sniffers zu sehen waren. Also, wer sich vorgenommen hat, Donnerstag früh ins Bett zu gehen, sollte diesen Plan tunlichst über Bord werfen oder sich für 02:00 Uhr den Wecker stellen.
DIVORCE: Freitag 13:00 Uhr Haldern Pop Bar
Aus Nottingham kommen DIVORCE ins Lindendorf. Es gibt zwar noch nicht so viel von der Band, doch das, was man bei Bandcamp hören kann, macht Lust auf mehr. Ihren Stil beschreibt die Band als Alt-Country und Grunge. Auch wenn wir da etwas mit der Stirn runzeln, würden wir da nie widersprechen. Also, liebe Alt Grunger und liebe Kids, die ihr den Grunge wiederentdeckt habt, wir haben am Festivalfreitag um 13:00 Uhr einen Termin in der Pop Bar.
COURTING: Freitag 15:00 Uhr Spiegelzelt
COURTING sagen von sich selbst, dass sie sich bei ihrem Album GUITAR MUSIC aus dem letzten Jahr die Frage gestellt haben, ob sie als Indie Band immer noch experimentell und interessant klingen können. Alle, die das Album gehört haben, werden uns zustimmen: können sie. Die Liverpooler haben ihren Indie einfach mit einer ordentlichen Portion Post Punk und elektronischen Spielereien angereichert und so ein Album erschaffen, das den Hörer fordert, aber nie überfordert. Ein guter Opener für das Spiegelzelt am Freitag.
GURRIERS: Freitag 19:45 Uhr Spiegelzelt
Laut Veranstalter des letztjährigen LEFT OF THE DIALS Festival in Rotterdam, hatten die GURRIERS aus Irland den mit Abstand größten Moshpit des Festivals. Moshpit ist jetzt nicht die Kernkompetenz des geneigten Haldern Publikums – aber hey – was eignet sich besser als das Spiegelzelt, um bei dem Indie Punk-Fünfer ein ordentliches Fass aufzumachen. Richtig: Nichts!
PORRIDGE RADIO: Freitag 20:30 Uhr Hauptbühne
Das englische Seebad Brighton ist nicht nur für das Great Escape Festival bekannt, sondern auch für seine umtriebige Musikszene. Zu dieser zählen sich auch PORRIDGE RADIO. Aufregender Indie Rock mit der durchdringenden Stimme von Bandleaderin und Sängerin Dana Margolin. Eine dieser Bands, von der man nach ihrem Konzert auf der Hauptbühne später einmal behaupten kann, man habe sie damals 2023 auf dem Haldern gesehen, als sie noch kaum jemand kannte.
FLOODLIGHTS: Samstag 11:00 Uhr Haldern Pop Bar
FLOODLIGHTS haben sicherlich die weiteste Anreise nach Haldern. Nachdem Haldern bereits im letzten Jahr mit MID CITY aus Australien ein gutes Händchen bewiesen hat, sind es in diesem Jahr FLOODLIGHTS, die aus Down Under an den Niederrhein kommen. Klassischer Indie Rock, der erst auf den zweiten Blick eingängig ist, einen dann aber nicht mehr loslässt. Die Stimme von Sänger Louis Parsons changiert irgendwo zwischen Matt Berninger von The National und Will Sheff von Okkervil River, jedoch – und das ist keinesfalls despektierlich gemeint – nach einem bierseligen Abend in einem australischen Pub. Wir empfehlen, früh aufzustehen, bei Bäcker Janssen zu frühstücken und dann ab in die Haldern „Pub“ Bar.
THE MYSTERINES: Samstag 14:30 Uhr Hauptbühne
Liverpool. Allein die Nennung der Stadt im Nordwesten Englands führt bei vielen Musikfans zu erhöhtem Blutdruck. Und auch auf das Haldern Festival hatte DIE Band aus Liverpool einen wahrscheinlich nicht unerheblichen Einfluss. Waren es doch die Beatles, die Festivalchef Stephan Reichmann musikalisch zu einem nicht geringen Teil sozialisierten. Aus eben dieser einflussreichen Arbeiterstadt kommen THE MYSTERINES nach Haldern. Ihr Debut wurde in England vom NME zu einem der 25 besten Neuerscheinungen 2022 auserwählt, eine US Headliner Tour folgte und die Arctic Monkeys nahmen die Band als Opener mit auf ihre Stadiontour. Die TIMES spricht von „live, loud, dirty rock’n’roll“. Können wir so stehen lassen.
FAMOUS: Samstag 22:00 Uhr Spiegelzelt
FAMOUS aus London sind im Haldern Universum keine Unbekannten. Unvergessen, ihr etwas unorthodoxer Auftritt beim Schwesterfestival in Kaltern. Nach einer ordentlichen „Gesichtsbremse“ mit dem Fahrrad spielte der etwas derangierte Sänger Jack Merrett mit seiner Band eine Show, die alle Anwesenden wohl nicht so schnell vergessen werden. Musikalisch lassen sich FAMOUS nicht ganz einfach verorten. Ein wenig Art Rock, ein wenig Post Punk und ab und zu klassische Indie Momente. Erlebt man die Band live, so weiß man, dass sie ihrem Namen bald alle Ehre machen werden.
Wie in jedem Jahr wünschen wir Euch allen ein fantastisches Wochenende. Genießt die Zeit, erschafft Momente, lasst Euch nicht von ein paar Regetropfen abschrecken. Bis Donnerstag!
Für alle spontanen gibt es noch 3-Tages und Tagestickets: Ticketlink
HIER findet ihr den Timetable.
Das zuverlässigste Wetter hat uns in den letzten Jahren Landwirt Hubert Reyers geliefert: LINK
Wollt Ihr sehen, ob sich der Schauer genau über Eurem Zelt ergießt: LINK