Die Ärzte spielen spontan eine Tournee in den (für sie zumindest) eher kleineren Hallen. Da muss ich doch nach über 20 Jahren mal wieder hingehen. Eine gute Idee?
Die Anreise zum Palladium gestaltet sich schwieriger als vermutet. Deswegen erreiche ich die Halle erst Punkt acht. Vor mir holt sich noch Axel Prahl sein Gästelisten-Bändchen ab. Der Mitarbeiter hinter der Glasscheibe schaut mich ganz mitleidig an, als er feststellt, dass ich keiner aus der vorherigen Entourage mit Bändchen für die After-Show-Party bin.
Im Vorraum des Palladiums hört man, dass die Show gerade begonnen hat. Da sich hier wahrscheinlich im Moment noch um die zweihundert Besucher befinden, vermute ich, dass ich trotz meines späten Eintreffens, noch einen guten Platz in Kölns doofster Kackhalle bekomme.
Mit vereinten Kräften öffnen wir mit zwanzig Leuten zusammen eine der schweren Saaltüren. Ich werde direkt beim Betreten der Halle von einer nasswarmen Wolke, aus einer Mischung von Fußball-Stadion, Poritze, Poppers, Stinkefuß und Crystal-Meth Kaltschweiß sediert. Hier haben die Menschen der netten Berliner Punkband aber mal das Zuschauerpotential des Palladiums, äußerst optimal, für eine gute Stimmung ausgenutzt, oder anders gesagt, so unfassbar überverkauft, habe ich die alte Säulenwitz-Venue tatsächlich noch nie erlebt. Die Stimmung ist entsprechend aggressiv – zumindest auf meinem Weg zur Theke an der anderen Hallenseite.
Dort steht dicht gedrängt unter anderem, eine Gruppe von schwer angesoffenen Boomern, drei Typen, eine Tante. Sie haben ein circa zehnjähriges (Enkel?)Kind dabei. Einer schreit einen aus der Gruppe ununterbrochen an, was er für ein „blödes Arschloch“ wäre. Der Angesprochene scheint die Tirade komplett zu ignorieren und schaut nach vorne. Was er sich dort anschaut, erschließt sich mir nicht so richtig. Denn von der Bühne ist hier nicht viel zu sehen. Ok, man sieht Rod. Der wirkt während des Konzerts so sediert, als hätte er sich den Duft der Halle komprimiert in eine Lasgas-Kartusche gefüllt, und dann mit einem Zug weggezogen. Bevor er später bei „Sohn der Leere“ seine „5 Minuten“ bekommt, geht er an einen Kühlschrank, der wie eine Marshall-Verstärker-Box aussieht und trinkt etwas. Dann geht er nochmal zum Kühlschrank zurück und schmiert sich etwas unter die Nase. Aber bevor dieser aufregende Moment stattfindet – wie gesagt, ich sehe nur Rod – disst Farin erstmal mit dem Handy filmende Fans. Er würde das nicht verstehen, er „will lieber leben“. Man spürt Verachtung. Kurz danach wird minutenlang erklärt, was ein Walkman war. Die „Inge Meysel Stimmung“ motiviert auf jeden Fall, mal auf ne Kippe rauszugehen.
In der Vorhalle bietet sich ein ähnliches Bild, wie vor rund vierzig Minuten. Immer noch halten sich hier rund 100, 200 Leute auf. An den Wänden sitzen viele erschöpft aussehende Menschen; manche alleine, andere in kleinen Gruppen. Sie wirken melancholisch. Es hat nicht den Anschein, als würden sie auf ihre Kinder, sondern eher auf DAS ENDE warten. Alle haben ein T-Shirt von den Ärzten an. Am Merchstand geht auch einiges über die Theke. Sieht aus wie Fast-Fashion-Mischfaser-Rotz aus Bangladesh in Kikk-Qualität, ist aber, wenn es der selbe Shit wie aus dem offiziellen Merch-Shop der Band ist, bestes
- 100 % Baumwolle
- Farbe: Schwarz
- Rohware: Fair Wear, Oeko-Tex, GOTS
Material (hab es mal c&p hier rein geholt).
Im Raucherbereich „trifft“ man Axel Prahl wieder.
Dann ein neuer Versuch beim Betreten des Konzertsaals. Jetzt mal von hinten. Man sieht wieder nichts. Dafür hängen über der Bühne drei Reihen mit je genau 30 ziemlich großen Strahlern. Diese Lichter können in unterschiedlichen Farben leuchten. Rot, weiß, grün und orange. Das Grün von dem Wasserschlauch auf der Herrentoilette sieht anders aus. Ich habe mal ein paar Fotos angehangen, die ich dann in der Halle gemacht habe. Die haben jetzt vielleicht mit einem Konzert nicht wirklich was zu tun. Hatte der Abend für mich aber auch nicht. N8i