Ist das ein neuer Trend oder Zufall? Da gibt es direkt zwei neue Kölner Bands, die beide jeweils eine amerikanische Frontfrau haben. Das Debüt von SMILE, welches vergangenen Freitag erschienen ist, wollten wir eigentlich rezensieren. Dann lieber direkt einen Text über beides – Platte und Liveshow – machen. Das hat leider am Wochenende nicht geklappt. Holen wir nach. Versprochen!
Bei der Post-Punk Band SMILE, gibt Rubee Fegan (aus Albuquerque, New Mexico) den Ton an. Die Frontfrau von LAWN CHAIR, ist die aus Seattle stammende Sängerin Claudia Schlutius. Auf dem Papier sollen LAWN CHAIR (laut Selbstauskunft) auch eine Post-Punk Band sein. Dafür gibt es allerdings eindeutig zu viele Kuhglocken und EUROPE-Gedächtnis Keybords in der Instrumentierung. Bei ihrem Support-Auftritt im Bumann, schaffen sie es im Handumdrehen das Publikum zu fesseln und Begeisterung auszulösen. Gerade die eher melancholisch anmutenden Passagen, mit dem Small Clone Effect auf der Gitarre, gelingen der Band live wirklich bemerkenswert. Überhaupt fällt die Live-Version ihrer Songs, die eine etwas spannendere Dramaturgie vertragen könnten, aufregender aus als ihr Studiomaterial. Das soll jetzt wirklich nicht abwertend klingen! Der Band ist auf jeden Fall noch deutlich mehr zuzutrauen. Ihre nächste Show wird angeschaut! Die beiden besten Songs in ihrem Set sind: „Punkrock Band“ & „Men with Shifty Eyes“. Es wird sogar eine Zugabe gefordert. Das erlebt man ja eher selten! Und das liegt sicherlich nicht am Heimvorteil.
Vor der Show der Hauptattraktion DEADLETTER, ist schon eine besondere Stimmung im ausverkauften Bumann & SOHN wahrzunehmen. Neben mir steht eine Frau, die mit ihrer Tochter (samt Entourage) zum Konzert gekommen ist. Dass die Band während ihrer Konzerte, zu Stagediving und anderen Eskalationen neigt, wurde von ihr bereits recherchiert und sorgt für – sagen wir es mal so – eine spürbare, gesunde Aufmerksamkeit.
Das Publikum ist bunt gemischt. Neben dem obligatorischen Kontingent hauseigener Weißwein-Alkoholiker in meinem Alter, haben heute Abend viele sehr junge Leute den Weg nach Ehrenfeld gefunden. Und die werden von dem Set der Süd-Londoner nicht enttäuscht werden.
Direkt mit Einsetzen der Bassgitarre, die die (schon sehr bald – Trust me!) ikonischen Bassfiguren des ersten Stücks „The Snitching Hour“ anschlägt, haben DEADLETTER mit ihrem Frontmann Zac Lawrence die Zuhörer, oder besser, die Mittänzer, auf ihrer Seite. Fun Fact: „The Snitching Hour“ erinnert auf der Textebene an den Anti-Nazi Karneval-Klassikers „Die hinger de Gadinge stonn un spingse“. Das kann ja demnächst mal jemand (beim nächsten Köln-Konzert) einem der sechs Autoren und Autorinnen der Nummer erklären. Viel Spaß!
Bevor mit dem zweiten bisher noch unveröffentlichten Song „Murdered“, das Tempo dezent angezogen wird, motzt Bassist George Ullyott verzweifelt, dass sein Mikrophon nicht funktioniert. Das tut der Stimmung jedoch keinen Abbruch. Dann folgt „Hero“, eine Fiktion über jemanden, der auf der Suche nach Anerkennung selber eine Katastophe herbeiführt. Die Carter / Cash Referenz „it burns“ im Text, sorgt bei Zac Lawrence anscheinend auch für gewisse Hitzewallungen. Er ist mit seiner Ausstrahlung aber auch eigentlich nicht der Typ, der sein T-Shirt erst beim dritten Song auszieht. Eine gewisse Ähnlichkeit mit Robert De Niros Interpretation des Max Cady Charakters, in Martin Scorseses Ultrakunst-Krimi CAPE FEAR, ist auf jeden Fall nicht zu übersehen.
Zumindest am heutigen Abend, sind alle Zutaten für eine GROSSE KARRIERE präsent: Es gibt die obligatorische Irre, die völlig aufgedreht die ganze Zeit zwischen vorderstem Bühnenrand und Rest der Venue ohne erkennbares Ziel herumrennt; den oberkörperfreien Sänger, der bei den schwächeren Songs zum Tambourine greift; den zufriedenen Veranstalter, der völlig zu Recht feststellt, dass man ohne sein Zutun, solch intensive Bewegungen vor der Bühne, hier auch noch nicht erlebt hat.
„Fit for Work“, das siebte Stück der Setlist, eine britische Variation der GOLDENEN ZITRONEN Weisheit, dass man auch ohne Beine die Sportschau sehen kann, leitet die zweite Hälfte der Show ein. Damit jetzt nicht wirklich alle komplett ausrasten, hat man sich noch zwei ebenfalls unveröffentlichte Quatsch-Lieder mit den Titeln „Credit“ und „Deus“ (oder „Deus ex machina“) einfallen lassen. Für Lawrence eine gute Möglichkeit sich in Jesus Morrison Gedächtnis Posen zu werfen. Es folgt schließlich der Hit der Band: „Binge“. Jetzt funktionieren alle Mikros. Die Publikums-Reaktion darauf ist wirklich beeindruckend euphorisch, auch wenn heute, zur Erleichterung meiner anfangs erwähnten Gespächspartnerin, das Stagediving nochmal verschoben wird. Nach „Zeitgeist“ und rund einer Stunde Spielzeit, ist das Ganze beendet. Festzuhalten wäre unbedingt, dass DEADFALL live wirklich sehr sehr gut spielen. Die Gitarreneffekte sind faszinierend, das Saxophonspiel von Poppy Richler ist subtil aber sehr präzise, die Bassgitarre pumpt und schiebt den Laden an. Man spürt den Hunger und die Leidenschaft. Beim 2005er Livedebüt der ARTIC MONKEYS, am 11.11.2005 im Kölner Underground, war die Stimmung ähnlich. Das ist auf jeden Fall ab jetzt die Liga, in der DEADLETTER spielen.