Die sieben Jahre zwischen ihrem letzten Konzert in Köln in der Kantine und heute Abend sind nicht ganz spurlos an Lucinda Williams vorübergegangen. Alleine schafft es die Deep-South Legende nicht mehr auf die Bühne und später von ihr herunter. Bei dem Anblick muss man erstmal schlucken. Drei Jahre dauerte die Reha der dreifachen Grammy-Gewinnerin nach einem Schlaganfall im November 2020, bei der sie das Laufen neu lernen musste. Die Gitarre musste sie seitdem auf der Bühne gegen einen Teleprompter eintauschen. Als wäre das alles nicht genug, wurde auch noch ihr Haus in Nashville von einem Tornado stark beschädigt. Aber ein echtes Rock n Roll Herz lässt sich unterkriegen.
Auch nicht von einer Gruppe lärmender Teutonen namens EISFABRIK, die vom selben Veranstalter in den kleineren Nebenraum gebucht worden. Leider überträgt sich der ohrenbetäubende Radau, den man anscheinend als Future Pop bezeichnet, den ein Dr. Schnee, der Frost, Celsius und von Fahrenheit (kein Witz!) dort zusammen veranstalten, auch in die große Halle. Manchmal wünsche ich mir, dass man in Deutschland auch das Recht haben müsste Waffen zu tragen. Weshalb die Vorband L.A. EDWARDS noch deutlich lauter abgemischt wurde als die Hauptattraktion Lucinda Williams, erschließt sich aber auch nicht so ganz. Immerhin werden spektakuläre Passagen im Konzert auch spontan etwas lauter gedreht. Und von denen gibt es unter anderem Dank Marc Ford (ehemals BLACK CROWES) einige. Gegen Ende der Show werden dafür sogar Teile des Jack Wolfskin affinen Publikums aufstehen.
Mit anekdotische Erzählungen leitet Williams ihre Songs jeweils ein. Da geht es mal um Tom Petty, um ehemalige Liebschaften und (ziemlich ergreifend) um ihre Kindheit („Bus to Baton Rouge“). Bei zu lautem Applaus wird das Publikum dezent ermahnt, dass es Williams wichtig wäre, dass man jedes Wort von ihr verstehen kann. Man merkt, dass Williams der Auftritt einiges an Anstrengung abverlangt. Trotzdem hat sie ihren trockenen Humor nicht verloren. Vor „Essence“ sorgt sie direkt dafür, dass keine Missverständnisse aufkommen und betont dass es in dem Song nicht um Drogen sondern um Sex gehen würde. Für eine Zeile wie „Please come find me and help me get fucked up“ würde andere weniger begabte Songwriter (die meisten) sicherlich morden. Den Zugabenteil leitet schließlich das ZZ TOP Cover „Jesus Just Left Chicago“ ein. Und nach zwanzig Songs ist eins der besten Konzerte des Jahres (so wird es bleiben) leider auch schon wieder vorbei. Nebenan wüten immer noch Dr. Schnee und Konsorten.