– In der Küche brennt noch Licht –
Es gibt keinen Grund, in diesem Jahr mit „Haldern, alte Lady“ in unseren alljährlichen Haldern Vorbericht zu starten. Warum? Weil es weit und breit keine Kettcars auf dem diesjährigen Festival gibt und – viel wichtiger – weil Haldern nicht ansatzweise eine „alte Lady“ ist. Gerade in diesem Jahr weiß man gar nicht, wo man anfangen soll vor lauter großartiger Acts. Klar, es gibt die ein oder andere Stimme, die vergeblich den großen Headliner sucht. Aber gerade die Stammgäste sollten inzwischen wissen, dass man in Haldern nicht in diesen Kategorien denkt. Wir geben zu, auch wir sind diesem Gedanken das ein oder andere Mal erlegen – und das als alte Haldern Urgesteine. Aber spätestens nachdem wir uns in aller Ruhe mit den Bands des diesjährigen Festivals beschäftigt haben, durften auch wir einsehen, dass jegliche Sorgen bezüglich der bestätigten Bands sowas von unbegründet sind. Im Gegenteil. In der Breite – ja, wir mögen Fußballsprech – ist das wahrscheinlich eines der stärksten Line Ups der Festivalhistorie.
Und genau diese Tatsache ist es, die uns vor ein Dilemma stellt. Normalerweise seid ihr es von uns, eurem Service Magazins des Vertrauens, gewohnt, dass wir euch für jeden Festivaltag unsere Favoriten empfehlen. Nachdem wir aber bei wiederholtem Abwägen auf mindestens 30 Bands gekommen sind, die man keinesfalls verpassen sollte, sind wir zu dem Entschluss gekommen, uns zumindest in diesem Jahr ein wenig von diesem Prozedere zu trennen.
Erstens, aus purem Egoismus – Nachtschichten unter griechischem Sternenhimmel sind nicht zu vermitteln – und zweitens, weil der Text dann derart epische Ausmaße annehmen würde, dass ihn in seiner Gesamtheit eh niemand lesen würde. Wir sind nicht so vermessen, zu glauben, dass uns aufgrund des diesjährigen Prozederes ein Shitstorm unserer 14 Leser ereilt, aber wenn ihr Beschwerden habt, dann äußert diese in Richtung Lindendorf ob dieses unverschämt guten Line Ups.
Was uns daran besonders gefällt, ist die hohe Anzahl an Gitarrenbands. In der Vergangenheit hatten wir uns das ein oder andere Mal ein wenig mehr Gitarre auf dem alten Reitplatz gewünscht. In diesem Jahr bleiben diesbezüglich keinerlei Wünsche offen. Vor allem die Bandbreite der Bands ist atemberaubend. Von Postpunk über Neogrunge, von klassischem Indie über Shoegaze bis hin zu oldschooligem Britpop ist alles dabei, was das poshe Gitarrenherz begehrt.
Dabei sind die Ausgangsvoraussetzungen für ein Festival der Haldern Größe alles andere als gut im Moment. Das Publikum ist beim Ticketkauf zurückhaltender. Gründe dafür sind sicherlich immer noch die Nachwehen der Pandemie und dass sich die Publikumsstruktur eines so alteingesessenen Festivals mit dem Altern des Stammpublikums verändert. Jetzt könnte man versuchen, durch ein Höher-Schneller-Weiter den Vorverkauf zu forcieren. Doch dies ist ein Weg, den man in Haldern nie gegangen ist. Vielmehr zählt man weiterhin auf das Vertrauen des Publikums in das Festival. Und auch, wenn es zugegebenermaßen manchmal schwerfällt, dieses Vertrauen aufzubringen, so muss man doch konstatieren, dass sich der Vertrauensvorschuss immer mehr als ausgezahlt hat.
NEUERUNGEN

So hat man sich auch in diesem Jahr die ein oder andere, zum Teil wirklich gravierende Neuerung überlegt. Da wäre zunächst die Öffnung des Campingplatzes bereits am Mittwoch um 15:00 Uhr, eine Neuerung, die vor dem Hintergrund der donnerstäglichen Hetze in den vergangenen Jahren sehr sinnvoll ist. Am Mittwoch gibt es dann im Dorf an verschieden Orten ein kulturelles Programm mit Lesungen, der Vorstellung des Gemäldes von Andrea Fontanari und zum Abschluss Vincent Moons Live Cinema in der Kirche. Bands werden an diesem erstmaligen „Festivalmittwoch“ nicht spielen.
Darüber hinaus finden im Jugendheim in diesem Jahr wieder Konzerte statt. Kuratiert wird die Bühne von den Jungs aus dem Kinett in Kusel.
Am Donnerstag kann man dann ausgeschlafen und ohne Stress in den ersten musikalischen Tag des Festivals starten. Dieser beginnt um 11:00 Uhr mit der wunderbaren Schweizerin To Athena in der Kirche.
Wie bereits erwähnt, werden wir in diesem Jahr ein wenig von unserem gewohnten Prozedere abweichen und euch für den jeweiligen Festivaltag „nur“ drei bis vier Künstler*innen oder Bands vorstellen. Es sei euch aber empfohlen, euch mal in Ruhe die Haldern Pop Playlist bei Spotify zu Ohren zu führen. Ihr werdet relativ schnell verstehen, warum wir der Meinung sind, es mit einem extrem guten Line Up zu tun zu haben und es daher schier unmöglich ist, alle sehenswerten Bands im Zuge eines Vorberichtes vorzustellen.
DER DONNERSTAG:
JACOTÉNE: 21:45 Spiegelzelt
Bei JACOTÉNE handelt es sich um eine Künstlerin, bei der man bereits nach erstmaligem Hören weiß, dass man sie irgendwann mal auf den richtig großen Bühnen dieser Welt sehen wird. Mit einer Stimme gesegnet, die irgendwo zwischen Amy Winehouse und Lauryn Hill changiert, wusste die Australierin schon mit 16 Jahren auf sich aufmerksam zu machen. Jetzt, zwei Jahre später, hat Haldern mal wieder eine Perle ausgegraben, die einen ähnlichen Weg wie Lola Young gehen wird. Klassischer Fall von: „Weißt du noch, als wir die damals auf dem Haldern gesehen haben, als sie noch keiner kannte?“
Infinity Song: 22:30 Hauptbühne
Infinity Song aus New York ist eine vierköpfige Band, bestehend aus den Geschwistern Abraham, Angel, Israel und Momo Boyd. Ihre Songs würde man als Softindie mit einer Menge Soul beschreiben. In den USA sind die Vier schon riesengroß, im Rest der Welt sollte dies nicht mehr lange auf sich warten lassen. Das Konzert von Infinity Song dürfte eins der spannendsten des gesamten Wochenendes werden. Also gibt es keine Ausreden, sich nicht am Donnerstag um 22.30 Uhr vor der schönsten Hauptbühne der deutschen Festivallandschaft einzufinden.
WU LYF: 23:45 Spiegelzelt
WU LYF, das große Geheimnis aus – immerhin das glaubt man zu wissen – Manchester. Nichts fasziniert die Menschen so, wie das Geheimnisvolle. Das haben sich WU LYF zunutze gemacht: keine Interviews, kaum Infos zu Platten und über die Band selbst ist auch sehr wenig bekannt. 2011 erstmals einer breiteren Masse in Erscheinung getreten, waren sie dann gefühlt wieder so schnell weg, wie sie da waren. Nichtsdestotrotz hinterließ ihr Indierock Spuren. Die Platten, wohlgemerkt auf ihrem eigens gegründeten Label veröffentlicht, wurden zu Sammlerstücken. Umso größer war die Überraschung und Freude, als die Band für das Haldern Pop Festival bestätigt wurde. Man darf gespannt sein, was einen am Donnerstag um 23:45 Uhr im Spiegelzelt erwartet.
Heavy Lungs: 23:45 Niederrheinzelt und 13:45 Pop Bar
Wer am späten Donnerstag noch Energie hat, sollte bei den Heavy Lungs im Niederrheinzelt vorbeischauen, eilt den vier Jungs um – Achtung für Kenner – Danny Nedelko doch der Ruf als großartige, wilde Liveband voraus. Man kann nur hoffen, dass das Niederrheinzelt den Sturm, den die vier Bristoler entfachen werden, schadlos übersteht.
DER FREITAG:
GOODWIN: 13:15 Uhr Kirche
GOODWIN ist Rob Goodwin, seines Zeichens Frontmann der Haldern Urgesteine von The Slow Show. Warum wir ausgerechnet GOODWIN empfehlen? Weil wir uns an seiner Stimme wahrscheinlich nie satthören werden und uns die Vorstellung, ihn in der Kirche zu sehen und zu hören, schon vorab Ganzkörpergänsehaut beschert. Darüber hinaus ist der gute Rob einfach ein wahnsinnig netter Kerl und dessen Nichtberücksichtigung in unserem kleinen Vorbericht hätte uns schlaflose Nächte bereitet.

Foto: DESC Photography – Denis Schinner
Overpass: 14:45 Spiegelzelt
Wir geben zu, manchmal stehen wir auch auf Opulenz und die ganz große Geste. Und da das tatsächlich eher eine Seltenheit auf dem Haldern ist, freuen wir uns umso mehr, euch Overpass aus Birmingham ans Herz legen zu dürfen. In ihrer Heimat durch Touren mit u.a. den Wombats schon kein Geheimtipp mehr, werden sie ein wenig Stadion ins Spiegelzelt bringen. Und das meinen wir nur positiv!
Marlo Grosshardt: 15:30 Hauptbühne
Marlo Grosshardt ist ein Phänomen. Als er vor gut einem Jahr im Line Up des Orange Blossom Spezial auftauchte, war die Verwunderung allenthalben groß, hatte man doch bis dato recht wenig von ihm gehört. Das änderte sich dann für die Anwesenden nach seinem Auftritt im Glitterhausgarten schlagartig. Sehr bodenständig und sympathisch trotze er dem Regen und brachte nahezu den gesamten Garten zum Tanzen. Mit Astronaut gelang ihm dann ein kleiner viraler Hit, so dass viele seiner Konzerte der Herbsttour bereits jetzt restlos ausverkauft sind. Ob Christian Lindner auch zu einem der Konzerte geht? Egal. Wir werden auf jeden Fall am Freitag pünktlich um 15:30 Uhr auf dem alten Reitplatz vor der Hauptbühne stehen. Solltet ihr auch machen!
Maruja 20:00 Spiegelzelt
Wer das Spiegelzelt aka die Pogohölle erleben möchte, wie es wahrscheinlich in seinen Grundfesten erschüttert wird, der sollte sich Maruja am Festivalfreitag um 20:00 Uhr nicht entgehen lassen. Irgendwo zwischen den IDLES, HIGH VIS und Deadletter tragen die vier Mancunians ihren PostPunkJazzHardcore derart energiegeladen und unorthodox vor, dass es verwunderlich wäre, wenn man nach dem Konzert nicht die Statik des Zeltes überprüfen müsste.
DER SAMSTAG:
Welly: 13:00 Uhr Pop Bar
Ja, 11:00 Uhr ist tatsächlich recht früh! Aber hey, am Sonntag wärt ihr froh, wenn ihr anstelle des Zeltabbaus um diese Zeit in die Pop Bar könntet, um euch nochmal ein paar Kids aus England anzugucken, die derart unbeschwerten Indiepunk spielen, dass es eine wahre Freude ist. So wie vor 15 Jahren bei den Wombats oder den Fratellis wird aus Kaffee-, Bierseligkeit werden und von dem Auftritt wird man sich noch lange erzählen. Versprochen!
Been Stellar: 21:45 Uhr Spiegelzelt
Wir geben zu: wir sind Kinder der 90’er. Also das, was man heute retrospektiv Generation X nennt. Und ja, wir haben alle unsere Flanellhemden vom Dachstuhl geholt, um uns stilecht Been Stellar aus NY City im Spiegelzelt anzuschauen. Wahrscheinlich sind wir zu diesem Zeitpunkt schon ein wenig wehmütig. Warum? Weil das Festival auf die Zielgerade einbiegt und wir uns eingestehen müssen, dass die Hemden doch etwas spack sitzen. Macht aber nix, weil Been Stellar einen derart mitreißenden Postgrunge spielt, dass uns selbst die spacken Hemden egal sind.
False Lefty: 14:00 Uhr Spiegelzelt
False Lefty sind ein Duo mit Schlagzeug und Gitarre aus Österreich und dem vereinigten Königreich. In Haldern nicht ganz unbekannt, da sie schon öfter dort im Tonstudio aufgenommen haben. Wer bei Schlagzeug und Gitarre an die White Stripes denkt, liegt nicht ganz falsch, wird aber den Wahlkölnern nicht gerecht. Denn: False Lefty sind einnehmender und vor allem nahbarer als Jack White und Meg. Wer es am Samstag 14:00 Uhr nicht ins Spiegelzelt schafft, weil ihm Fortuna Köln in der Regionalliga West wichtiger ist, dem sei ein kleines Geheimnis verraten: False Lefty spielen auch Freitag um 21:00 Uhr im Tonstudio. Ergo: Keine Ausreden!
Mên An Tol: 18:15 Uhr Spiegelzelt
Mên An Tol ist eine 3000 bis 4000 Jahre alte Megalithformation aus der frühen bis mittleren Bronzezeit und liegt in der Grafschaft Cornwall in England. STOPP! FALSCH! Mên An Tol ist eine Band, die sich in Südlondon in einem Pub gegründet und nach einem alten Steinhaufen in Cornwall benannt hat. Kannste dir nicht ausdenken, es sei denn, du hast dir ordentlich einen in den Damm gebibert. Darüber hinaus machen die vier Jungs aus England einen Sound, der irgendwo zwischen den Waterboys, den Pouges und Oasis liegt. Liebe Theke im Spiegelzelt, zapft schonmal vor! Das wird ne feuchtfröhliche Sause.
Liebes Haldern Pop, lieber Stefan, liebe Helfer*innen, liebes Dorf, liebe ALLE. In diesem Jahr hatten wir echt große Schwierigkeiten, eurem kleinen, wundervollen Festival in Form eines Vorberichtes gerecht zu werden. Zu gut ist das Line Up in diesem Jahr, zu viele Bands muss man eigentlich sehen. Und das vor dem Hintergrund, dass man doch noch Zeit haben sollte, bei gemeldeten 30 Grad am Samstag, im See schwimmen zu gehen oder bei Bauer Gerd im Biergarten seine Freund*innen aus den letzten 42 Jahren Haldern Pop Festival zu treffen.
Denn Haldern ist kein Festival, bei dem man den Eintritt bezahlt, um mit bekannten Bands und Kirmesklamauk bedient zur werden. Haldern ist der Ort, an dem man im Spätsommer Neues entdeckt, das einen bestenfalls durch den Winter trägt, an dem man Freund*innen trifft und an dem man sich einmal im Jahr außerhalb seines Zuhauses zu Hause fühlen darf. In diesem Sinne: kauft Karten! Nachhaltiger als das Haldern Pop Festival trägt euch keiner durch die kommende kalte Jahreszeit!
Den Zeitplan für das schönste Wochenende des Sommers findet ihr hier:
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