KHRUANGBIN spielen am 19. August im Tanzbrunnen Köln. Support sind KESHAVARA aus Köln. Das Trio aus Houston hat sich in den letzten Jahren von einer kleinen, verschrobenen Idee zu einer der zuverlässigsten Live-Bands unserer Zeit entwickelt. Wer sie einmal gesehen hat, weiß, dass es um mehr geht als um Songs: es ist eine Art kontrollierter Rausch, minimalistisch, präzise, hypnotisch.
Die Geschichte beginnt 2004, als Mark Speer und Donald „DJ“ Johnson in Houston in der Gospelband der St. John’s Methodist Church spielten. Speer an der Gitarre, Johnson an der Orgel. 2007 stieß Laura Lee dazu, 2009 brachte Speer ihr das Bassspielen bei. 2010 gingen Speer und Lee mit BONOBO auf Tour. BONOBO spielte später den frühen KHRUANGBIN-Track „Calf Born in Winter“ – der Anfang einer Karriere, die bald weit über Houston hinausreichte. Wieder zurück in Texas baten Speer und Lee Johnson, am Schlagzeug einzusteigen. Das Rezept war klar: einfache Breakbeats, keine Spielereien.
2015 erschien „The Universe Smiles Upon You“, ein Debüt, das schon zeigte, wie weit die Band mit ihren Referenzen gehen würde. 2018 folgte „Con Todo El Mundo“, plötzlich stand der Name KHRUANGBIN in Feuilletons und auf Festivalplakaten. 2020 dann „Mordechai“, mit mehr Vocals, ein weiteres Ausrufezeichen. Parallel die beiden EPs mit LEON BRIDGES: „Texas Sun“ und „Texas Moon“. Diese Zusammenarbeit gilt inzwischen als Klassiker. Die Mischung aus Bridges’ Soul und den psychedelischen Grooves von KHRUANGBIN ist etwas, das bleibt. 2024 kam „A La Sala“ – ein bewusst reduziertes Album, das von vielen als zu routiniert empfunden wurde. Aber live ist das völlig nebensächlich.
Denn live sind KHRUANGBIN eine Bank. Wer sie einmal gesehen hat, vergisst es nicht. Ich selbst kann mich an mein letztes Konzert im Carlswerk Victoria nur bruchstückhaft erinnern –hehe – was nicht gegen die Band spricht. Im Gegenteil: es war vermutlich das Beste, was ich in dieser Halle je erlebt habe.
Ein Bild hat sich eingebrannt: Donald Johnson, ein Hüne von fast zwei Metern, sitzt hinter einem winzigen Drumset. Ein Anblick wie aus dem falschen Film. Doch sobald er spielt, wird er zur Maschine. Stoische Beats, die nie schwanken, kein unnötiges Gefummel. Alles treibt, alles hält zusammen. Daneben Laura Lee und Mark Speer, der mit seiner Gitarre Melodien singt. Der Verzicht auf Gesang ist längst ihr Markenzeichen.
KHRUANGBIN heißt auf Thai schlicht Flugzeug. Doch während der Name eindeutig ist, bleibt die Band selbst eher eine musikhistorische Black Box. Man erkennt die Einflüsse – Funk, Dub, Surf, Soul, Thai-Pop, persische Skalen –, aber wie daraus dieser unverwechselbare Sound entsteht, entzieht sich der direkten Erklärung. Im deutschen Raum sind Chris Imler und Jonas Poppe mit ihrer Band OUM SHATT ähnlich begabe Alchemisten.
Typisch für ihre Konzerte sind die Medleys. Auf Setlists tauchen regelmäßig Zitate aus Hip-Hop-Klassikern auf: „The Next Episode“, „Regulate“, „It Was a Good Day“. Auch „Gypsy Woman“ von CRYSTAL WATERS ist fester Bestandteil. Meistens nur kurz angerissen, selten ausgespielt, aber sofort wiederzuerkennen. Das Publikum reagiert reflexartig, jubelt, bevor die Band wieder nahtlos in eigene Songs übergeht.
Inzwischen sind die Bühnen groß. Radio City Music Hall in New York, Greek Theatre in Los Angeles, Alexandra Palace in London. Festivals wie Glastonbury oder Primavera. 2025 dann sogar eine Grammy-Nominierung als „Best New Artist“. Für eine Band, die seit über zehn Jahren Platten veröffentlicht, wirkt das absurd. Aber es zeigt: KHRUANGBIN sind im Mainstream angekommen, ohne sich je dafür verbiegen zu müssen.
Das ist im Grunde die Musik, die unser Zeitalter von Reels und TikTok verdient hat. Und das ist nicht einmal abwertend gemeint. KHRUANGBIN liefern die perfekte Mischung aus Wiedererkennbarkeit, Groove und Zitatkultur – ein Sound, der in Sekundenbruchteilen funktioniert, aber auch über ganze Konzertabende trägt. Der Ansatz eines Mac DeMarco ist sicher interessanter, der eines UNKNOWN MORTAL ORCHESTRA vielleicht radikaler – nur habe ich von letzterem bisher erst ein wirklich gutes Konzert gesehen. Bei KHRUANGBIN kann man dagegen sicher sein: live liefern sie.
Man könnte den postmodernen Ansatz von KHRUANGBIN als hochwertiges, aber letztlich retrogrades Kunsthandwerk definieren: präzise, geschmackssicher, eklektisch, aber ohne den Mut zur Fremdheit. Genau das ist das Problem vieler zeitgenössischer Kunstformen. Adorno betonte die Bedeutung der Fremdheitserfahrung in der Kunst – das Aufbrechen des Vertrauten, die Irritation, die Widersprüchlichkeit, die eine kritische Auseinandersetzung mit der Realität ermöglicht. Wer ein Konzert von KHRUANGBIN besucht, erlebt allerdings keine Fremdheit, sondern den eleganten Fluss bereits bekannter Muster. Es ist ein geschmackvolles Arrangement. Ähnlich wie bei Quentin Tarantino, dessen Filme ebenfalls als überhöhte Zitatmaschinen laufen. Spaß machen sie trotzdem. Wenn man vorher seine Erwartungen anpasst.
Im Tanzbrunnen trifft ihre Minimalästhetik auf eine sommerliche Kulisse. Keine besondere Bühnenshow oder andere Effekte. Nur Groove, Präzision, Atmosphäre. Wer „A La Sala“ als zu glatt empfand, kann hier prüfen, ob die Stücke live explodieren – nicht durch Lautstärke, sondern durch absolute Kontrolle.
KESHAVARA eröffnen den Abend. Keshav Purushotham und seine Band bewegen sich zwischen Kraut-Pop, Dub und psychedelischer Verspieltheit. 2020 wurden sie mit dem popNRW-Preis ausgezeichnet, 2024 erschien das Album „III“. Sie sind mehr als nur Vorband, eher die lokale Antwort auf das, was KHRUANGBIN global verkörpern: die Idee, dass Pop gleichzeitig verspielt, ernsthaft und grenzenlos sein kann.
Tickets gibt es hier.
Foto: David Black







