Es gibt Konzertverlegungen, über die man sich ärgert. In Köln gehört die Hochbuchung ins Palladium zu den verlässlichsten Aufregern des lokalen Konzertpublikums: ein Saal, in dem bei Einheitspreisen rund ein Drittel der Menschen kaum etwas sieht, weil sie außerhalb der Säulenreihen stehen müssen oder hinter der Rollstuhl-Erhöhung. Wir haben darüber schon oft geschrieben.
Umso erstaunlicher, wenn das Gegenteil passiert. Der Termin von WOLF ALICE wanderte einige Wochen vor Showbeginn vom Palladium ins direkt daneben liegende E-Werk. Zwei Hallen, quasi dieselbe Adresse, aber unterschiedliche Maße. Das Palladium: groß, aber doof. Das E-Werk: etwas kleiner, aber feiner (haha), höhere Bühne, bessere Akustik, insgesamt auch die schönere Halle.
Dass WOLF ALICE ausgerechnet jetzt heruntergebucht werden, dürfte für ihre neue Plattenfirma RCA / Columbia aka Sony Music weniger erfreulich wirken als für die Kölner Besucher:innen. Das Timing ist interessant: „The Clearing“ ist das erste Album der Band unter einem Major-Dach, nach drei Veröffentlichungen bei Dirty Hit. Der Labelwechsel war schon 2023 registriert worden; die neue Platte erschien am 29. August und markiert im Katalog der Band definitiv einen besonderen Einschnitt.
Die Produktionsgeschichte von „The Clearing“ ist im offiziellen PR-Text zum Konzert gut dokumentiert: Die ersten Entwürfe entstanden in Seven Sisters im Norden Londons, bevor die Band für die eigentlichen Aufnahmen nach Los Angeles wechselte. Dort leitete Greg Kurstin die Sessions – ein Produzent, dessen Name inzwischen in vielen internationalen Pop- und Rockcredits auftaucht (unter anderem Adele, Sia, Beck, FOO FIGHTERS, Lily Allen, Kelly Clarkson).
Während die Aufnahmen zwischen London und Los Angeles entstanden, begann die Band parallel damit, die ersten neuen Songs in die Welt zu werfen. Den Auftakt machte „Bloom Baby Bloom“ im Mai, ein Stück, das sofort heraussprang: atmosphärisch, aber mit dieser typischen WOLF ALICE-Schärfe, die immer dann auftaucht, wenn Ellie Rowsell entscheidet, dass ihre Stimme nicht bloß Melodie und Text wiedergibt, sondern sie als Instrument versteht. Sie selbst erklärte später, sie habe den Song als „Rocknummer“ gedacht, mit einem ziemlich offensichtlichen Axl-Rose-Phantom im Hinterkopf – allerdings ohne Schweiß und Rumgepimmel.
Im Juli folgte „The Sofa“, ein ruhiger, sehr direkt gehaltener Song, der sofort auffiel, weil er kaum zusätzlichen Ballast trägt. Nach der dritten Vorabsingle „White Horses“ – einer feinen Krautrocknummer mit starker Vokalbeteiligung des Schlagzeugers – waren die Kritiken zur neuen Platte ausgesprochen wohlwollend und positiv. Bis auf die Rezension der Financial Times (!). Dort veröffentlichte man am 23. August eine streng gebaute, fast stoisch missmutige Besprechung, die dem Album zwei Sterne gab und die Hälfte der Songs in Einzelteile zerlegte. Ein Solitär im Gesamtbild, sicher mehr Kuriosum als ernsthafter Verriss.
Für den Kölner Abend lässt sich trotz allem nur eines sicher sagen: WOLF ALICE treten derzeit mit einem Set auf, das das neue Album klar in den Vordergrund stellt, aber die früheren Phasen der Band ebenso sichtbar macht. Man erkennt deutlich, wo sie gerade stehen und welche Teile ihres Katalogs ihnen 2025 wichtig sind.
Die Dynamik zwischen den ruhigen Momenten und den härteren Ausbrüchen ist weiterhin Teil ihres Live-Profils. Auch die Balance zwischen älteren Songs und Material aus „The Clearing“ ist stabil, ohne in eine Vorhersehbarkeit zu kippen. Das Publikum bekommt also eher eine Gesamtschau als ein reines Showcase für die neue Platte.
Support kommt von FLORENCE ROAD, die mit ihren Songs „Break the Girl“ (nicht zu verwechseln mit dem ähnlich betitelten CHILI-PEPPERS-Track) und „Goodnight“ zwei wirklich starke Nummern im Gepäck haben. Also: rechtzeitig auftauchen!
Tickets gibt es hier.
Foto: Rachel Fleminger Hudson







