Die Scissor Sisters beehrten das sommerliche Berlin und ließen die Temperaturen nochmals um mindestens 30 Grad steigen. Die Berliner erlebten, fühlten, schwitzten den Inbegriff von „heiß“ und strahlten dabei.
Bevor es losgeht, erfrischen sich die Gäste beim kühlen Bier im Sommergarten. Dann bei den ersten Tönen des Supports Hidden Cameras trottet Berlin langsam in den Postbahnhof. Und das ist auch gut so, denn schon hier wird die Richtung für den Abend vorgegeben. Lustig, ein bisschen crazy und auch irgendwie ein bisschen Sex versprühen die Kanadier mit ihrem leider zu kurzen Set, bei dem Sänger Joel Gibb des Öfteren lobt, wie höflich und gut gelaunt das Berliner Publikum sei und dass es sich auf die bald folgende SS freuen dürfe. Ja, schwarzen Humor haben die Jungs aus Toronto! Und dazu noch luftige Musik. Dann beim kleinen Hit „AWOO“ kommt er, der erwartete männliche Gogo-Dancer in Pailettenkleid, Stringtanga und schwarzem Kreuz im Gesicht. Er gibt auf der Bühne alles, schmeißt sich in laszive Posen und lässt die Hüften kreisen. Dazu spielt die Band, als ironischer Bruch, ungerührt und beinahe unschuldig wirkend ihre schönen Popsongs. Besser kann ein Auftakt gar nicht starten. Das findet auch das Publikum und ist schon jetzt ordentlich auf Betriebstemperatur.
Die Umbauphase wird durch den DJ Sam Jo mit pumpenden Beats verkürzt und dann geht’s los.
Zunächst schreiten Backgroundsängerinnen und Drummer auf die Bühne, dann kommen Gitarrist Del Marquis und Bassist Babydaddy auf die Bühne. Jubel! Der steigert sich beinahe ins Unermessliche als Jake Shears und Ana Matronic an den Bühnenrand stürmen. Anfänglich werden ihre Stimmen fast überrollt vom Geschrei der Fans und den wummernden Beats und lauten Gitarren des Openers „Night Work“. Dennoch ist die Disco schon jetzt im vollen Gange. Man sieht halbnackte schwitzende Männer, die euphorisch auf und ab hüpfen, groovende Damen und überhaupt eine glücklich swingende Masse. Die Protagonisten stehen ihrem Publikum in Nichts nach. Wie ein Derwisch wirbelt Jake über die Bühne in seinen zerrissenen und zerschnittenen Cut-Off-Jeans, die nur das Nötigste bedecken und auch Ana kreist lasziv die Hüften, wirft sexy Blicke um sich und vermittelt den Eindruck, die heißeste Frau dieses Planeten zu sein. Das wird dann fast auf den Höhepunkt getrieben, als sie ihren Part in „Any Which Way“ ins Mikro haucht. „Take me any way you like it. In front of the fireplace, in front of your yard, in front of my parents. I don’t give a damn. Baby, just take me!” Die Menge tobt und will mehr von diesem explosiven Gemisch. Der Sound ist noch immer nicht perfekt, aber daran stört sich eigentlich niemand. Von dieser Euphorie ist auch die Band angesteckt. Das veranlasst Ana sich sogleich bei den verrückt tanzenden Berlinern zu bedanken und von spießigen belgischen Zuschauern Tags zuvor bei einem Festival zu berichten. Spießig ist hier wahrlich niemand. Denn das wäre bei den Texten und zweideutigen Gesten und Bewegungen der Schwestern auch völlig fehl am Platze. An diesem Abend feiern wir die Sexualität, den Körper und die Freiheit und alle haben Spaß. Den Soundtrack zum Wohlfühl-Feeling liefern die Scissor Sisters, ob nun mit „Tits On The Radio“, „Harder You Get“ oder „Running Out“, das High will nicht abreißen. Dann ein weiterer großer Höhepunkt. Bei „Take Your Mama“ sieht man lauter lächelnde Gesichter um sich. Zum Tanzen muss man jetzt eigentlich niemanden mehr auffordern und doch gibt’s einen kleinen Reminder, bevor „I Don’t Feel Like Dancin‘“ angestimmt wird. Hier bleibt kein Fuß mehr still stehen. Doch noch muss Energie bleiben für den nächsten Höhepunkt. Geschmeidig wie eine Katze bewegt sich Ana mit ihren Sängerinnen/Tänzerinnen zu „Skin This Cat“ und verführt die Berliner mit ihrer Präsenz. Eine kalte Dusche wäre schön. Doch die gibt’s dann erst zum Ende, als Jake eine Schüssel Wasser übers Publikum ergießt. Bis dahin geht die Party weiter. Nach dem letzten Song der regulären Setlist, in dem passend das „Night Life“ besungen wird, kennt die Menge kein Halten mehr. Stampfen, Brüllen, Schreien, Klatschen. Dem Willen wird in neuen Outfits nachgegeben. Jake, in einem Anzug, der mehr zeigt als verdeckt, und Ana in diesmal rot-schwarzem Kleidchen geben nochmal alles. Leise steigert sich „Invisible Light“ und mutiert zur wabernden Disco-Hymne. Danach entlassen uns die Schwestern schwitzend mit „Filthy/ Gorgeous“.
Nach fast zwei Stunden Dauer-High wandelt man mit erhitzten Gedanken in die heiße Nacht und wird mit einem Lächeln einschlafen. Der Disco-Traum muss schließlich weiter gehen!!!
Setlist:
Night Work
Laura
Any Which Way
She’s My Man
Something Like This
Whole New Way
Tits On The Radio
Harder You Get
Running Out
Take Your Mama
Kiss You Off
I Don’t Feel Like Dancing
Skin Tight
Skin This Cat
Fire With Fire
McCartney
Night Life
Zugabe:
Numb
Invisible Light
Filthy/ Gorgeous
Fotos zum Konzert; Fotografin Roxi K.
The Hidden Cameras und DJ Sam Jo
Scissor Sisters