Dass ausgerechnet am 11. September die so geschichtsbewussten Delta Spirit im Kölner Gebäude 9 spielen kann doch nur ein Zufall sein, oder? Ihre aktuelle Single 9/11 kommt da gerade recht. Nach langem Verstummen rund um das für viele schon fast zu träge Thema, wirbeln Delta Spirit die Geschichte neu auf. Dabei veranschaulichen sie allgemein ihre Sicht auf die Dinge und nehmen kein Blatt vor den Mund. Das Gebäude 9 ist nur halb voll, was auf der einen Seite schade, auf der anderen aber auch sehr angenehm ist. Kein Gedränge – jeder hat seinen Freiraum und so darf jeder nach seiner Fasson sich bewegen.
Aus unterschiedlichen Richtungen kamen die fünf Mitglieder von Delta Spirit in Köln an. Der eine landete in Amsterdam, der nächste in Düsseldorf und wieder einer in Köln. Bis schließlich alle beisammen auf der Bühne in Köln standen verging somit eine gewisse Zeit. Nicht jeder Flieger hatte die Pünktlichkeit gebucht. Ohne Vorband und etwas verspätet stimmten Delta Spirit die ersten Töne an. Ein kurzes Intro macht den Anfang, bevor es dann mit „Bushwick Blues“ richtig losfetzt. Schon auf Platte einer der Songs, der zu begeistern weiß. Live wirkt das alles noch eine Spur wuchtiger und energiegeladener. Traumstart!
Es folgte ein nicht aufhörender musikalischer Gewittersturm voller Charme, Wut und Prolligkeit. Sänger Matthew Vasquez ist dabei smart und angeberisch zugleich. Lieblich provozierend. Die Gegensätze sind kaum zu übersehen: Da sitzt der Streber am Klavier, der Schüchterne am Schlagzeug, der Coole spielt den Bass, der Draufgänger singt natürlich und der, der mit allen kann, haut die Solos in die Saiten. Delta Spirits Tourauftakt in Köln passt wie die Faust aufs Auge. Trotz mangelnder Zuschauer strahlt die Band auf der Bühne eine unglaubliche Kraft aus. Jeder Muskel zuckt im Körper. Beeindruckt vom Instrumentenwechsel ist heute Niemand mehr. Wer dann aber bei „White Table“ so aufs zweite oder dritte Fell eindrischt und rhythmisch nicht das Schwerste, aber das Druckvollste auf die Beine stellt, dem gebührt größte Aufmerksamkeit. Wundervoll wirken Songs wie „Golden State“, welches ungemein an die Avett Brothers erinnert. Neben den Songs von der aktuellen Scheibe „History From Below“, mischen sich auch Songs vom Vorgängeralbum „Ode To Sunshine“ mit ins Set ein. Bei „Children“ müsste Drummer Brandon Young eigentlich der Arm abfallen – aber alles bleibt dran. Die so ruhigen Songs von Delta Spirit entpuppen sich immer mehr als richtige Kracher und sind live kaum zu vergleichen mit dem, was einem auf Platte geboten wird. „St. Francis“ rotzt sich in den Vordergrund und Sänger Matthew Vasquez macht es seiner dargebotenen Musik gleich.
Völlig verdutzt schauen sich die Zuschauer im Gebäude 9 die improvisierte Aktion an. Vasquez steht samt Mikrofon plötzlich mitten in der Menge, singt und tanzt und erzählt ’ne Menge unverständliches. Aber er hat Erfolg und versammelt sich mit seinen Fans in der Mitte des kleinen Konzertschlauchs, holt selbst stocksteif stehende Liebhaber aus den letzten Reihen zu sich ran. Es folgt ein kleiner Plausch – alle sollen sich schließlich hinsetzen, um dann zusammen auf einen Schlag aus der Haut zu fahren und mit Vasquez (inklusive hin- und herschleuderndem Mikrofonkabel) durch’s Gebäude 9 tanzen. Alle folgen dem nicht, aber das scheint Vasquez egal zu sein. Ohne Rücksicht auf Verluste wird sich hier gedreht und gedanced. Ausgepowert und zurück auf der Bühne gibt es noch zwei Zugaben und das war’s. Super Abend!