Man könnte meinen, Konzerte von William Fitzsimmons seien ein Ort der Reflektion, Besinnlichkeit, Stille und Traurigkeit. So Hau-drauf-Themen wie das Dschungelcamp, Hirschschwänze und plakativen Rock’n’Roll erwartet man bei dem feingeistigen Fitzsimmons eher weniger. Und doch ist der bärtige Mann aus Illinois dann immer wieder für Überraschungen gut, wie er am Dienstag in der Berghain Kantine bewies.
Man wundert sich doch. In der Stadt war Werbung für das Konzert nur spärlich zu finden, beinahe geheim mutete der Termin an und dennoch drängt sich eine beachtliche Traube an Menschen an diesem eisigen Abend vor der Kantine und wartet auf Einlass – das Konzert ist ausverkauft. Demzufolge wird es doch recht kuschelig im kleinen Saal. Auf der Bühne stehen lediglich zwei Akustikgitarren und lassen vermuten, dass Fitzsimmons heute ohne Band unterwegs ist. Und tatsächlich. Kurz vor neun bahnt er sich seinen Weg durch die Menge, stellt das mitgebrachte Täschchen ab und schnallt die Gitarre um. Da steht er nun ganz allein, ein bisschen schuljungenhaft, und nimmt das Publikum mit „I Don’t Feel It Anymore“ an die Hand, ihm in seine traurige Welt zu folgen. So allein ohne Band werden die Texte noch zwingender, Fitzsimmons zum Geschichtenerzähler, der seine Alltagsreflektionen einfach mit der Gitarre begleitet. Dass das Erzählen seine große Stärke ist, beweist er nicht nur in den Songs, sondern gerade auch zwischen den Liedern, wenn er immer wieder mit lustigen Anekdoten oder auch einfach auflockerndem Reden, um sich Zeit zum Stimmen zu verschaffen, das Publikum zum Lachen bringt. Dabei nimmt er sich auch gern selbst auf die Schippe in durchaus gutem Deutsch. „Ich bin ein Schwanz, nein ich habe einen Schwanz!“ Zuweilen stilisiert er sich gern als kleiner Bad Boy, wenn er Gitarrenständer umschmeißt, was man ihm aber einfach nicht abnehmen kann. Erstaunt berichtet er auch von seinem größten Erfolg. Tatsächlich wurde doch ein Song von ihm im Dschungelkamp gespielt, was ihn dazu veranlasst, seinen großen Durchbruch zu feiern und zu visualisieren, wie Katy Karrenbauer zu seiner Musik einen Hirschpenis verspeist. Ganze Lachsalven kommen aus Fitzsimmons heraus und so braucht er ein paar Minuten, um sich wieder zu fangen, schließlich will er uns doch eigentlich sieben neue Songs („yeah, I know, that’s boring for you“) und auch alte Lieder spielen. Langweilig geraten die neuen Songs dann aber gar nicht, vielmehr reihen sie sich ganz wunderbar ins andere Werk von Fitzsimmons ein. „The Tide Pulls From The Moon“ oder „Beautiful Girl“ zeigen die gewohnten Songstrukturen, offenbaren aber gleichzeitig auch eine Öffnung hin zum Perspektivwechsel. Man blickt noch immer tief in die Seele dieses bärtigen Felsens, hat aber auch das Gefühl, dieses Mal nicht nur über ihn selbst und sein Leben Geschichten zu hören, sondern neue Charaktere in den Liedern zu vernehmen. Neben den neuen Sachen, dürfen natürlich die altbekannten nicht fehlen. So versprüht „Goodnight“ wieder diese Brise an Optimismus und lässt hoffen, dass es bergauf geht. Der flehende Ton von „Please Forgive Me“ entfaltet auch an diesem Abend seine volle Wirkung. Diese Welt von Fitzsimmons weiß zu berühren, wahrlich nicht immer einfach. Daher ist es verständlich, dass Berlin auch nach dem letzten Song mehr will. Ein Lied gibt’s dann auch noch. Schon allein aus der Not heraus geboren, da Fitzsimmons nicht weiß „how to leave the stage“. So geriert die Zugabe zum Wunschkonzert. „After Afterall“ ist der Gewinner und rundet das kleine Konzert ab. Mit ein wenig Muskelkater vom Lachen und emotionsbeladen verlässt man den Saal. Ja, Feingeist und Dschungelkamp gehen dann irgendwie doch gut zusammen.
Bilder zum Konzert; Fotografin Roxi
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