So ganz ist mir bis heute nicht klar, ob International Music geniale Dilettanten sind oder grandiose Musiker, die sich das slackerhafte und überdrehte eher so aus der Hüfte zaubern. Auf ihrem zweiten Album ENTENTRAUM kultivieren sie ihren Hang zu psychedelischem Rock mit dadaesken Texten – ein surrealer Trip zwischen Traumdeuterei und Gelsenkirchener Barock.
Ihrem Hang zu Kraut- und Slade-haften 70ties- Rock fröhnen die Teilzeit-Essener auch auf ihrem neuen Werk ENTENTRAUM. Ein Trip zwischen Traumdeutung und Gelsenkirchener Barock, zwischen Eckkneipe und der Düsseldorf Königsallee. Textlich überdreht das Trio wie gewohnt Alltagssituationen wie den Kauf eines neuen Marmeladenglases oder den ungezügelten Hang zum Zucker. Dies Überheben des Alltäglichen zum leicht grotesken durch ständige Wiederholungen, ist bekannt man vom letzten Album sowie vom Seitenprojekt Düsseldorf Düsterboys. Auf ENTENTRAUM verlassen Sie jedoch die Komfortzone des eigenen Haushalt und trotzen der Schönheit der Eckkneipe, um sich in surreale Traumsphären aufzuschwingen.
„Ich bin eine Ente…“
Als neue, konzeptionelle Ebene tritt auf ENTENTRAUM der Gedankenzähler Schmidt auf, der in verschiedenen Songs in Dr.Mabuse-Style wahlweise über seine analytische Tätigkeit berichtet und direkt den Song mit seiner Gedanken und Träumen kapert. Diese können wahlweise, die einer Ente sein oder aus formlosen Wesen bestehen, die schwer zu greifen sind. Musikalisch verlassen International Music dabei den klassischen Songrahmen, improvisieren mehr, denn harmonieren, überdrehen, um dann immer kurz vor dem mentalen Zusammenbruch in ein poppiges Thema zurück zu finden. Dieses mentale Chaos scheint sich auch auf den Bandkörper niedergeschlagen zu haben, sei es beim „Kopf der Band“, dem man das Überhitzen beim Nachdenken über neue Songs regelrecht anhört im gleichnamigen Song oder der Schlagzeuger, der verdammt sein soll die Songs von oben zu spielen.
Und doch, in den Momenten, wo die Hörerschaft erschöpft den Kopfhörer zur Seite legen will, um sich zu versichern ob man noch in Lage ist zu gehen oder längst watschelt, versöhnt das Trio mit melodiösen, folk-behafteten 70ties Songs. Sei es das dandyhafte und schwungvolle „Ab in den Zoo“ oder das an ein Kinderlied erinnernde Stück „Wassermann“ mit seinem Chorgesang.
So schaffen International Music ein vielschichtiges Werk, in dem sich viel interpretieren und noch mehr hinein deuten lässt. Aber am Ende bleiben die Stimme von Dr. Schmidt, die den Schweiß beim zu-Bett-gehen auf die Stirn treibt, der Wunsch endlich mal wieder auf der Kö zu bummeln und die heimliche Sehnsucht nach der Geborgenheit der Eckkneipe.
VÖ: 23. April 2021, Staatsakt, https://www.internationalmusic.band/
Tracklist: Misery/ Die Höhle der Vernunft/ Wassermann/ Erosion Korrision/ Spiel Bass/ Museum/ Insel der Verlassenheit/ Zucker/ Beauty of the Bar/ Raus ausm Zoo/ immer mehr/ Der Traum der Ente/ Traum/ Los Angles
Ohr d’Oeuvre: Misery/ Beauty of the Bar/ Raus ausm Zoo
Unsere Wertung:
Gesamteindruck: 8/10