Das Genie und Wahnsinn oft sehr nah beieinander liegen, haben schon zahlreiche Künstler bewiesen. Einer der schillerndsten davon ist mit Sicherheit Chris Corner. Nun kommt er mit seinem neusten Geniestreich daher, den er mit seiner Formation IAMX aufgenommen hat: VOLATILE TIMES. Das Album lebt von Gegensätzen und handelt von Vergänglichem und Ewigem, von Hass und Liebe, von Anklage und Huldigung, und ist dabei theatralisch und dramatisch, aber auch zart und zerbrechlich zugleich. Das Ausmaß dieses Werkes ist kaum beim einmaligen Hören begreiflich. Es bedarf mindestens drei und mehr Durchgängen, um auch nur im Ansatz zu begreifen, was uns Herr Corner da alles auftischt. Denn er breitet quasi seine ganze Seele vor uns aus. Man hat schon so einiges vermutet, als man im Dezember in seinem Blog „Easy is not easy“ seinen inneren Kampf mit sich selber, seiner Musik und der Umwelt mitverfolgen konnte. Es hatte förmlich den Anschein, als würde er den ganzen Wahnsinn, die inneren Dämonen und Selbstzweifel, die sich während der Aufnahmen zu VOLATILE TIMES angesammelt haben, erbrechen wollen. In einem großen Schwall schrieb er seine Gefühlslage, einem Tagebucheintrag gleich, nieder. Hat der Leser dies verdaut ist er bereit für das Album, das genau diese Tortur widerspiegelt. Die Anklagen gegen Religion, gegen Kapitalismus (Volatile Times) und gegen die Musikindustrie (Music People) werden wie mit einem Schlagbohrer in die Ohren der Hörer gebohrt. Ruckartig und heftig und repetitiv bis sie in den letzten Gehirnwindungen anfangen zu pochen und spätestens bei „Into Asylum“ und dem irren „KICK! KICK!“ fühlt man sich Corners Wahnsinns näher den je. Aber Herr Corner kann auch ruhiger: Sanfte Momente umschließen das Werk mit dem ersten „I Salute You Christopher“ und dem letzten Lied „Oh Beautiful Town“ und führen den Hörer hinein und wieder hinaus aus der vielschichtigen Welt des Chris Corner.
Bewundernswert wie viele Stilrichtungen VOLATILE TIMES auf den elf Tracks zusammenbündelt. Von der hymnenhaften Hommage an den todkranken Christopher Hitchens „I Salute You Christopher“ über Kinderchöre in „Comanded by Voices“, schunkelnder Zirkusmusik in „Bernadette“, kalten elektronischen und Industriellen Beats in „Into Asylum“ bis hin zu dem wellenartig schwappenden (kann man das überhaupt Ballade nennen?) „Dance With Me“ und dem ohrwurmartigen „Ghost Of Utopia“ reicht das große Spektrum des vierten IAMX Albums. Wie ein roter Faden zieht sich aber die schillernde, glitzernde und pathetische Stimmung, die in die Welt hinaus schreit: I JUST WANT TO TURN THE LIGHTS ON IN THESE VOLATILE TIMES!
VÖ: 18.03.2011; Bmg Rights Management / rough trade
01. I Salute You Christopher 9/10
02. Music People 8/10
03. Volatile Times 9/10
04. Fire And Whispers 7/10
05. Dance With Me 9/10
06. Bernadette 7/10
07. Ghosts Of Utopia 8/10
08. Commanded By Voices 8/10
09. Into Asylum 9/10
10. Cold Red Light 7/10
11. Oh Beautiful Town 7/10
Durchschnitt: 8/10
Gesamteindruck: 8,5/10