Ein Haus in der Südstadt, quasi im Epizentrum der Gentrifizierung. Nah an Hipster-Brauhaus und Advertising Agency. Dort weist ein eher unscheinbarer Hauseingang in ein Treppenhaus. Hier üben unüberhörbar nicht nur zwei alte Hasen der elektronischen Tanzmusik – unter einem ausgestopften Dackel stehend – an JEDEM Samstag seit so ziemlich genau zwei Jahren (quasi mit dem Ausbruch der Pandemie) für irgendwann mal (hoffentlich bald), wenn die Clubs wieder geöffnet sind. Hier befindet sich auch das Atelier des Künstlers Heinz Bleser. Und den haben wir besucht.
JMC: Demnächst – über die Karnevalstage – findet eine Ausstellung von dir im Kunstraum K49 statt. Ein guter Anlass um mal etwas ausführlicher mit dir zu sprechen. Um was geht es bei „Nur Karneval im Kopf“?
Heinz Bleser: Ich wollte spezielle Arbeiten zeigen. Das sind Ölmalereien auf Kupferfaser-Platten. Das sind sehr dünne Platten, die ich mal geschenkt bekommen hab. Und ich dachte eine ganze Zeit darüber nach, was ich mit denen anfangen soll. Meine erste Idee – sie für Radierungen zu verwenden – hat nicht funktioniert, weil die Platten zu dünn waren. Vielleicht zeige ich aber auch die Versuche, als Arbeitsschritt, wie man es nicht macht.
JMC: Die Ausstellung heißt „Nur Karneval im Kopf“.
HB: Nur Karneval im Kopf, weil ich die Sachen letztes Jahr im Karneval gemalt habe – im Lockdown. Und ich dachte mir, eigentlich muss ich die auch an Karneval zeigen. Jetzt ein Jahr danach, wäre ganz gut.
JMC: Sind das ausschließlich die Kupferfaser-Arbeiten?
HB: Es gibt noch eine Leinwand. Und eben die Radierungen. Wobei ich gar nicht weiß, ob man das Radierung nennen kann. Ich habe nur die Technik der Radierung angewendet, aber ohne Ätzen. Sondern nur reingeritzt in die Tafeln. Ich hab die verkleinert, damit sie durch eine Druckpresse passen. Davon will ich auf jeden Fall auch ein paar zeigen. Die wirken sehr naiv. Ich bin ja sowieso eine Art Outsider-Künstler, lehne mich da an Art brut an.
JMC: Nochmal zum Titel „Nur Karneval im Kopf“. Das Ausfallen des Karnevals, aufgrund der anhaltenden Umstände der Pandemie, hat schon mit den Arbeiten zu tun? War das die Initialzündung?
HB: Die Idee war, das ich ein etwas anderes Material zur Verfügung hatte. Ich hab ja bereits auf unterschiedlichste Materialien gemalt; auf Kisten, auf Holz. Wie man es auch aus der Geschichte der Pop Art kennt. Aber dann brauchte ich eine Zeit, bis ich auf die Idee kam, auf die Kupferfaser-Platten zu malen. Und umgesetzt habe ich das eben, an diesem Karneval.
JMC: Der ja nicht stattfand.
HB: Genau. Und da entstanden eben Dinge, die ich mir nicht vorgenommen hab. Die sind gewachsen durch figurative Andeutungen und durch Aufeinanderpressen dieser Platten. Da ergaben sich verschiedene Figuren, denen ich auch diesen Karneval zusprechen würde, als wären sie kostümiert; als würden sie Masken tragen, als hätten sie Kostüme an. Dadurch dass das Karneval entstanden ist und ich die Sachen Karneval zeigen wollte und ich festellte „das sind Karnevalskostüme“, hatte ich halt „nur Karneval im Kopf“. Das schien mir schlüssig zu sein. Wobei ich auch sagen muss, dass ich auch Karneval vernarrt bin. Aber eben in diesen Underground-Karneval und Straßenkarneval. Der hat mich immer sehr interessiert. Der alternative Karneval.
JMC: Es gibt in den letzten Jahren, vielleicht in den letzten beiden Dekaden eine Tendenz zur Kommerzialisierung des Karnevals. Er wird austauschbarer mit anderen Events. Man spricht auch von einer Ballermanisierung des Karnevals. Die Unterschiede zu „Après-Ski“ oder ähnlichem sind nur marginal. Und du nimmst in der Arbeit ja starken Bezug auf‘s Kostümieren, auf das Verkleiden.
HB: Ich finde das ist immer noch das wichtigste. Als wir Kinder waren, haben wir diesem Karneval ja entgegengefiebert, nicht weil es da was zu Saufen gibt. Schon weil man machen kann, was man will. Aber es ging um die Verkleidung. Was mir immer sehr gefallen hat, war das was sich am Straßenrand abgespielt hat. Wenn man mit den Eltern den Rosenmontagszug angeschaut hat. Was passiert da nebenbei? Man schaut sich aber auch den Zug an. Hat vielleicht eine Lunchbox dabei, mit Frikadellen und Nudelsalat. So war es früher. Heute gibt es ja auch an jeder Ecke Buden mit Essen.
JMC: Das war früher anders? Das hast du früher noch anders hier in der Südstadt erlebt?
HB: Vor 20 Jahren hörte es auf, so zu sein, wie ich den Karneval als Kind erlebt habe. Ich hab den Karneval auch zwischendurch aus den Augen verloren. Als Kind hat man sich auf den Karneval gefreut und hat mit den Eltern den Rosenmontagszug angeschaut. Ich war auch als Kind eine zeitlang im Karnevalsverein.
JMC: In einem traditionellen oder alternativen?
HB: Das war ein traditioneller Verein. Den gibt es heute nicht mehr. Ich bin damals dann erwachsen geworden. Als Jugendlicher fand ich dann dieses ganze Karnevalistische nicht mehr so toll. Als ich dann von der Bundeswehr zurückkam, hatte der Karneval bereits andere Züge angenommen. Der alternative Karneval war gewachsen. Es gab auf einmal – wegen des zweiten Golfkriegs – diesen Geisterzug. Und das hat mich ganz neu fasziniert. Und auch wieder inspiriert. Gerade was das Kostümieren betraf. Du konntest auf einmal in sämtliche Richtungen gehen. Die Kostüme waren nicht mehr traditionell. Auf einmal waren die von der Popkultur beeinflusst.
JMC: Du machst ja Kunst in sehr unterschiedlichen Bereichen. Vielleicht fangen wir mal mit deinen Bildern an. Das sind oft Gedankencollagen von dir.
HB: Klar. Man überlegt sich ja immer erstmal was und versucht dann eine Spur aufzunehmen. Oder irgendwas zu machen. Ich hab aber im Laufe der Zeit festgestellt, dass es sehr langweilig ist, wenn man dann 1:1 etwas umsetzen will, was man sich da so erdacht hat. Das war einfach auch nie so mein Ding. Ich hab gerne zur Hälfte eines Bildes alles verworfen und hab es dann anders gemacht. Oder was dazu gedichtet. Oder wieder was weggenommen. Das ist dann halt irgenwann auch ein Aufräumen. Manchmal hat man zuviel drinnen. Man streicht wieder was oder man malt wieder. Oder man bringt was dazu. Meine Inspirationsquellen sind mal ein Foto, sind mal Objekte, das sind Situationen oder Performances. Oder ich sehe Objekte auf dem Flohmarkt. Wenn man auf Daniel Spoerri (Mitbegründer der Künstlergruppierung Nouveau Réalisme und Erfinder der Eat-Art) zurückblickt, der viele Sachen gemacht hat, mit Gegenständen, die er auf dem Flohmarkt gefunden hat.
JMC: Und ich habe gelesen, dass deine Arbeit sehr stark von deinen Träumen beeinflusst ist.
HB: Oft ging es mir so, dass ich an einem Punkt war in dem Bild an dem ich gerade arbeitete, dass ich nicht wusste „ist es jetzt fertig“ oder „mir fehlt noch was“. Da habe ich diese Bilder dann mit in meine Träume genommen oder sie sind mir eben dort erschienen. Und ich konnte sie dann im Traum fertigstellen. Oder ich wusste auf einmal „was das Problem ist“.
JMC: Aber es sind nicht nur deine Objekte oder Bilder. Du hast auch Performance-Kunst gemacht.
HB: Ich war früher in einem Kunstverein, in der Ultimate Akademie. Das war im Jahr 1996. Damals habe ich verschiedene Sachen gemacht und dann irgendwann erkannt: „Du machst Kunst“. Das ist nun mal so. Und das nennt man wohl so. Ich war da sehr naiv. Und auch nicht so hundert Prozent aufgeklärt. Ich musste mich da reindenken. Und hab Leute kennengelernt, die Performances machen. Und da mehr Wert drauf legten – da sie aus der Fluxus-Szene kamen – als auf die klassische bildende Kunst. Da habe ich dann überlegt, was mache ich da. Ich habe dann verschiedene Dinge ausprobiert, wie Aufnahmen mit dem Diktiergerät. Ich hatte damals Schwierigkeiten mich vor einem Publikum zu äußern. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Und fand auch meine Stimme jetzt nicht besonders gut, um ein Sprecher zu sein.
JMC: Wobei du das ja jetzt gut kannst.
HB: Jetzt bin ich ja auch ein alter Sack.
JMC: Und hast du dann mit dem Diktiergerät irgendwelche Texte eingesprochen?
HB: Genau. Ich hab die dann aber bearbeitet. Dass sie eher einen abstrakten oder surrealen Charakter bekommen haben und überhaupt nicht mehr mit dem ursprünglichen Text zu tun hatten. Dazu habe ich Handlungen vorgenommen, wie zum Beispiel einen Jesus ans Kreuz zu nageln. Weil eben diese Auseinandersetzung bestand, wie fühlt sich das an, jemanden ans Kreuz zu nageln. Und ist es dasselbe, wenn man heute eine Jesusfigur ans Kreuz nagelt; dass man dann genauso ein Schwein ist, wie damals die Römer, die den Jesus ans Kreuz genagelt haben. Es ist natürlich anders und nicht so. Das Thema war ursprünglich eine persönliche Auseinandersetzung, die das ganze initiiert hat. Es sollte ein Streit thematisiert werden, der sich aufgeladen hatte, bei dem dann sogar Rassismusvorwürfe im Raum standen. Und ich musste und wollte der Person unbedingt klar machen, dass es sich bei der Auseinandersetzung um eine rein persönliche Anklage und keine allgemeines Urteil handelte. Also eben um keinen rassistischen Ausbruch. Das mit dem Kreuzigen kam dann dazu. Es war nämlich Karfreitag. Und ich wollte mehr machen, als mich nur mit diesem Krach und dem Rassismus-Thema auseinanderzusetzen. Das war dann meine erste Performance. Und da sie einen guten Anklang gefunden hat, bin ich dann eine zeitlang mit der Ultimate Akademie unterwegs gewesen. Und bin dann in verschiedenen Städten auf Performance-Festivals aufgetreten.
JMC: Es hat dann auch eine Performance gegeben, die es auf die Titelseiten der lokalen Presse in Köln geschafft hat.
HB: Meinst du die „Überfall-Performance“? Da gab es verschiedene Sachen. Das muss um 2000 gewesen sein. Es handelte sich auch um eine Veranstaltung der Ultimate Akademie in den Räumen des Kunstvereins 68elf. Es ging damals auch ursprünglich um das Thema „Verkleidung“. Mein Bruder René und ich hatten uns als Kinder verkleidet. Es gab da so ein altes Foto, auf dem zu sehen war, wie wir uns als Terroristen verkleidet hatten und unsere Eltern überfielen. Das war zu dem Zeitpunkt, als die Plakate mit den gesuchten RAF-Terroristen in den Postfillialen hingen. Das hat mich als Kind beeindruckt. Ich wusste natürlich nicht, dass es weh tut, wenn jemand ermordet wird. Das war eher so eine Art Räuber und Indianer Spiel.
JMC: Also ihr habt erstmal eure Eltern überfallen, bevor dann die Kunstszene dran war?
HB: Ich hatte damals dieses Kinderfoto wiedergesehen und dachte, das wäre eigentlich ziemlich gut, das mal in der Kunstszene – in der ich die Leute inzwischen kannte – auszuprobieren. Es gab dann eine Ausstellung mit dem Titel „Stillstand“ in besagtem Kunstverein. Und die Idee war, herauszufinden, wenn Leute sich Kunst anschauen, die auch teilweise zum Verkauf stand, wieviel Geld die wohl an so einem Abend dabei haben.
JMC: Das war damals wohl auch schon ein sehr interessantes Thema, der Zusammenhang zwischen Kunst und Geld.
HB: Ich wollte ja nichts von dem Geld haben. Ich wollte das einfach nur festhalten. Wir sind dann da hin. Und es ging natürlich auch um die Action. Wir hatten laute Rap-Musik dabei und hatten uns Nylon-Strumpfhosen über den Kopf gezogen. Dann haben wir Schreckschuss-Pistolen auf die Leute gerichtet. Man muss dazu sagen, dass die Perfomance vorher angemeldet war und uns auch einige Leute erkannt haben. Man wusste nur nicht, wann das Ganze an dem Abend stattfinden sollte. Wir sind dann mit vier „Überfällern“ und zwei Filmenden dort aufgetaucht. Und da stellt man erstmal fest, wie schwierig so eine Situation umzusetzen ist, da auf den Putz zuhauen, dass die Leute den Mund halten sollen. Also dass abläuft, was wir wollen.
JMC: Und dann habt ihr den Leuten das Geld abgenommen?
HB: Eine Freundin hat sich dann hingesetzt und den Laptop aufgeklappt. Ich hab dann die einzelnen Leute nach vorne geholt und gefragt: „Wieviel Geld hast du denn dabei? Zeig doch mal, was du da in deiner Tasche hast.“ Das haben wir dann gefilmt und die Beträge in eine Excel-Tabelle notiert. Also Name und mitgeführte Gegenstände. Und als wir damit fertig waren, waren wir schnell wieder weg. Und genauso liefen meine Perfomances. Die sind vorher nicht ausgereift. Wir arbeiten ja nicht mit einem Drehbuch. Bei Fluxus nimmt man sich etwas vor und setzt um, was man umsetzen kann und der Rest verschwindet wieder. Das versickert einfach.
JMC: Hat das denn Ärger gegeben?
HB: Es gab im Nachhinein eigentlich keinen Ärger. Wir haben das wiederholt und einmal kamen wir in einem Kunstverein an, da haben wir eine Installation, die vorne aufgebaut war, letztendlich komplett abgebaut. Die Besucher saßen alle in einem hinteren Raum und haben uns nicht beachtet. Wir kamen da an – das war auch wieder angemeldet – aber der Veranstalter meinte: „Jetzt noch nicht.“ Dann haben wir gesagt, dann ziehen wir das jetzt halt hier vorne durch. Wir fanden die Installation jetzt auch nicht gerade bewundernswert und haben dann die Dekonstruktion nur für uns selbst gemacht und hatten dabei unseren Spaß.
JMC: Du bist ab kommenden Donnerstag auch persönlich bei der Ausstellung anwesend?
HB: Es sind vier Tage – von Donnerstag bis Sonntag – an denen die Ausstellung vier Stunden lang zu sehen ist. Die Zeiten stehen im Begleitheft.
JMC: Vielen Dank für das Gespräch.
Karneval 2021 entstandene Werke
Ausstellung im K49, Goldsteinstr.49, vom 24.02. – 27.02.22
Heinz Bleser „Nur Karneval im Kopf“
Öl auf 17 Kupferfaserplatten
Format: 0,47×0,63 bzw. 0,63×0,47m,
Mit dieser Ausstellung zeigt der Künstler Entwicklung von Malerei und Technik.
Der Künstler ist anwesend am Do. 24.02. 11:11 Uhr
Fr. 25.02. 16:00-20:00 Uhr
Sa. 26.02.16:00-20:00 Uhr
So.27.02. 12.00-18:00 Uhr
Es gelten die Bestimmung der 2G Regel.
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