Alle die für das WET LEG Konzert am kommenden Montag im Keller des Stadtgarten noch ein Ticket ergattert haben: Herzlichen Glückwunsch! Den Enkelkindern wird man später einmal erzählen können: „Wir waren damals dabei.“
WET LEG, die neue Lieblingsband von Dave Grohl (und nicht nur von dem), können auf einen atemberaubenden Aufstieg in den Popolymp zurückblicken. Klingt das sarkastisch? Ihr Debüt ging im April in den britischen Charts direkt auf die Position 1. Übrigens, 51 (!) andere Alben der aktuellen britischen Top 100 taten dies auch. Und was sagt das über die Musikindustrie oder über die Zählmethode der Charts aus? Hmm, vielleicht das man Chartpositionierungen, Streamingzahlen oder andere angebliche Erfolgsgeschichten einfach ignorieren kann!? Mir gelingt es nicht.
Als ich im Summer – ich glaube es war im letzten Juni – durch den Domino Records Newsletter (Domino Records ist das Label des Isle Of Weight Duos) über die Existenz eines Tracks namens „Chaise Longue“ informiert wurde, und dieser dann kurze Zeit mal sowas von durch die Decke ging (18 Millionen Streams), dachte ich kurz, dass es sich um einen Irrtum handeln müsse. Ich muss zugeben, dass ich den Song in der „Preisklasse“ von (die Älteren erinnern sich eventuell) NEW YOUNG PONY CLUBs „Ice Cream“ (aus dem Jahr 2007 – 7 Millionen Streams auf Spotify) verorte. Und ich muss auch zugeben, dass es mir genausowenig gelingt, wie Streamingzahlen zu ignorieren, die Qualitäten des Debüts von WET LEG zu überhören. Auch wenn ich eigentlich DIESE GANZE POPSCHEISSE IGNORIEREN WILL. POPMUSIK IST SO BESCHEUERT. ICH HASSE SIE! ICH HASSE SIE! DIESE TRIVIALKUNST, IMMER NUR DAMIT BESCHÄFTIGT, MIR EINEN VERDAMMTEN BESCHISSENEN OHRWURM ZU VERPASSEN, DEN ICH DANN AUCH WIEDER NUR MIT EINEM ANDEREN BESCHISSENEN OHRWURM LOSWERDE. ODER BESSER: ERSETZEN KANN. EIN ALPTRAUM! DAS IST JA WIE IN DEM FILM „IT FOLLOWS“, also irgendwie. VERDAMMTE SCHEISSE! ICH HASSE POPMUSIK!
Entschuldigung! Auch an die Kolleg:innen aus der Redaktion.
Gut, die Platte ist formal wirklich fantastisch ausgefallen. Gut, sind die anderen Platten, die Produzent Dan Carey betreut hat, auch. Man findet tatsächlich keine einzige negative Kritik zum Debüt. Es gibt keinen Armond White der Musikkritik? Das kann doch wohl nicht wahr sein. Den einzigen Vorwurf, den ich irgendwo am Rande einer nur nicht ganz so euphorisch augefallenen Rezension gelesen habe (ich glaube es war von Kitty Empire im Guardian), lautete in etwa, dass Teasdale und Chambers großer Erfolg in ihrer unbekümmerten Kunst, zum Zeitpunkt nach den zwei Singles „Chaise Longue“ und „Wet Dream“ darin lag, die Absurdität und Lächerlichkeit von vielen Dingen die Spuren hinterlassen zu thematisieren (die meinte damit wahrscheinlich eher Narben), um dann andererseits auf dem Album, sehr stark den Müllfaktor von Expartnern in den Mittelpunkt zu stellen. Das wäre zwar verständlich, aber nicht unbedingt das, was man von den Hummerhänden im „Wet Dream“ Video so unbedingt als Hauptthema erwartet hätte. Aber immer diese Erwartungen. Meine Erfahrung sagt, dass Erwartungen in Popkünstler überhaupt nicht erfüllt werden können. Das ist in der DNA des Kapitalismus nicht vorgesehen. Und Popmusik ist (auch bei schwieriger Messbarkeit von Erfolg für die / den normalen Endverbraucher:in, wenn sie / er sich nicht von erfundenen Hypes der Industrie verarschen lassen will) nun einmal Kapitalismus in Reinform. Am besten lässt dich der Erfolg faktisch nur anhand von Ticketpreisen und Ticketverkäufen messen. NICHTS ANDERES IST MEHR RELEVANT! STREAMINGZAHLEN SIND EIN WERBETOOL! Werden deine Konzerte von LIVE NATION veranstaltet, dann hast du es endgültig geschafft; wahrscheinlich muss man aber bis es so weit ist, MINDESTENS dem Teufel seine Großmutter verkauft, mit Bill Gates ein Fass Adrenochrome geleert oder mit Hillary Clinton ein lebendiges Baby verspeist haben. Dmd Kiu Lidt.
Jedenfalls, dass WET LEG nicht das selbe Schicksal ereilt, wie anderen „Pop-Sensationen“ like LA ROUX oder den THE TING TINGS, nämlich relativ schnell vergessen zu werden, bleibt abzuwarten. Aber werden wir nicht alle irgendwann in Vergessenheit geraten? Tough Business nicht nur das Popgeschäft – auch das Leben. Immerhin haben sie gegenüber den im Artikel genannten Bands (und uns sowieso) schon mal einen großen Pluspunkt: Sie haben nicht nur einen guten Song.
Foto: Hollie Fernando