Viel zu spät, viel zu spät, wenden wir uns der neuen wunderbaren Platte TRANSIT von Das Paradies zu. Auf dem Zweitwerk erweitert Florian Sievers den Sound um flirrende Elektronik und üppige Arrangements.
In Das Paradies habe ich mich ja auf einem der letzten Haldern Open Airs, auf dem ich mich unerkannt vom Chefredakteur eingeschlichen hatte, schockverliebt. Im stickigem Jugenheim, erstmal mit der Anekdote um die Ecke zu kommen, dass da noch ein schwerer Kopf vom Vorabend aufgrund von Tee mit Schuss ist, hat einfach direkt die Sympathiewerte in ungeahnte Höhen schnellen lassen. So ein wenig kannte man Florian Sievers ja schon aus seiner Zeit beim Talking to Turtles, die tolle Folksongs machten, bei denen Sievers aber immer ein wenig im Schatten von Kollegin Claudia Göhler stand.
Mit dem Debüt GOLDENE ZEITEN von Das Paradies erschuf Sievers dann im Grunde ein Hit – Album für all die angenehm-verwuschelten zwischen 25 und 80, die hinter den Dingen immer noch eine zweite Ebene sehen und ihr Wissen gern für sich behalten. Die Songs folgten im Kern der Reduziertheit von Sievers‘ Folkvergangenheit. TRANSIT ist nun etwas üppiger ausgefallen. Die Gitarren treten zugunsten der Beats und Synthies in den Hintergrund. Die Songs sind opulenter in der Instrumentierung und aufwendiger bei den Arrangements ausgefallen. Es wirkt etwas collagenartiger und experimenteller. Kurz – die Songs sind etwas poppiger und gefälliger als das Debüt. „Verkleidet als Mensch“ oder „Im Orbit ohne Zucker“ sind so Beispiele, ein treibender Pianolauf den Beat und die Melodie vor sich her schiebt, darin verwoben die wunderbar-verschrobenen Beobachtungen und Wortbilder von Sievers.
Denn zum Glück bleibt diese leicht-verwuschelte Attitüde, die sich immer über das Reale wundert, aber nie daran verzweifelt. Beziehungsweise ist Das Paradies ein ausgesprochener Dialektiker. So verknüpft er die eher melancholischen Inhalte mit einer musikalischen Luftigkeit, die dazu führt, dass die eher schweren Inhalte, leicht von den Lippen gehen. Dies ist der rote Faden durch die Platte, egal ob bei der Vorabauskoppelung „Rosa Luft“ oder bei dem heimlichen Hit „Die Dinge, die wir uns sagten“. Es sind leicht resignierte Beschreibungen der Sprachlosigkeit zwischen den Menschen und der eigenen, die einen immer mal überfällt und zurückwirft. Dies alles ist aber musikalisch poppig und dynamisch unterlegt, so dass die Hörer:innen gar nicht in Versuchung kommen sich resigniert zurück zu lehnen, sondern erstmal die Hooks hängen bleiben. Eine wunderbare Umkehr von Schwere.
Warum es lohnt die Platte noch zu besprechen? Weil jetzt die Tour ansteht. Am 22.9.2022 spielt Das Paradies im Subway in Köln. Empfehlenswert, auch wegen dem Schnaps in der Tasse.
VÖ: 22.06.2022, Grönland Records, https://www.dasparadies.org/
Tracklist: Die stroboskopen Jahre/ Rose Luft/ Wenn ich dir entkommen will/ Die Dinge, die wir uns sagten/ Hund & Sterne/ Verkleidet als Mensch/ Im Orbit ohne Zucker/ Gebissen wurde ich nur in Wien/ Über dem Asphalt die Hitze/ Im Graben an der Straße ins Licht
Unsere Wertung: 8/10