In der Frühzeit der Rockmusik, soll der amerikanische Blues-Musiker Robert Johnson dem Teufel seine Seele überlassen haben. Im Gegenzug hat der Höllenfürst Johnson mit überragenden musikalischen Fähigkeiten ausgestattet, mit denen dieser „Menschen in den Wahnsinn treiben“ konnte, wie Son House behauptete.
Bei allen Legenden ist es unbestritten, dass gewissen Entwürfen von Rockmusik, durch eine Art von Zauberformel etwas innewohnt(e), mit dem die unfassbarsten Vermögen gemacht, Regierungen gestürzt, Gesellschaften für immer verändert, und die Herzen der stolzesten Frauen gebrochen wurden. Wenige haben diese Fähigkeit lange beherrschen können. Viele waren und sind ihr ein Leben lang auf der Spur.
In den letzten dreißig Jahren wurde mit der hemmungslosen Zweckentfremdung durch skrupellose Dritte, die mit Rockmusik Mobiltelefone und Autos verkauft haben, ihr Zauber gebrochen. Durch die Verfügbarbeit jeglicher Musik zu jeder Zeit an jedem Ort der Welt, die mit dem postdigitalen Zeitalter einkehrte, ist inzwischen auch das letzte Fünkchen Magie verschwunden.
Um so erstaunlicher ist es, wenn sich in heutigen Zeiten noch einmal an Orten und zu Zeiten, die niemand vorhersagen kann, etwas von der alten Herrlichkeit entfaltet. Beim Support-Auftritt der texanischen Rockband SPOON ist das erwähnte Fluidom ganz deutlich präsent. Am Ende des rund 45 Minuten andauernden Sets, werden Körper und Seele von Alex Fischel so sehr (während des 2005 durch Bandchef Britt Daniel erdachten Wahnsinns „I Turn My Camera On“) von der Superkraft durchflutet, dass der ergebene Keyborder und Gitarrist besorgniserregende Zuckungen vollführt.
Einen weiteren transzendentalen Moment durften die Zuschauer bereits wenige Minuten davor erleben, als der Heiland persönlich – John Lennon – in Köln-Mülheim erschien. Die Zeile „You′re just a human, a victim of the insane“ nicht als Deus ex machina wahrzunehmen, ist ja wohl ausgeschlossen.
Dass sich die Kräfte der Rockmusik endgültig verschoben haben, ist unter anderem damit belegbar, dass sich SPOON (wahrscheinlich aktuell eine der fünf besten amerikanischen Rockbands) mit einem Support-Job bei den eklektischen Retro-Rockern THE BLACK KEYS begnügen müssen. Verstehen kann man ihre Strategie allemal. Es macht sicherlich mehr Sinn in einer ausverkauften 4000er Halle oder vor gleicher Zuschauerzahl am nächsten Abend beim Hamburger Stadtpark Open-Air, seine Kunst zu zeigen, als in einem halb ausverkauften mittelgroßen Club wie 2017 im Kölner Gloria. Vor der Bühne gab es jedenfalls einige Besucherinnen, die den Weg nur wegen SPOON auf sich genommen haben. Es besteht vielleicht doch noch ein wenig Hoffnung für die Rockmusik.
Fotos: Lisa Ramacher