Aus dem mexikanischen Bundestaat Jalisco kommt die weltberühmte Mariachi-Musik. ELEMENT OF CRIME vermitteln optisch – in ihrer schwarzen Abendgarderobe – jetzt nicht unbedingt den Eindruck, dass es sich bei ihnen um eine mexikanische Musikformation handelt. Aber gerade die neuen Lieder des aktuellen Studioalbums „Morgens um Vier“ – von dem sie bis auf „Wieder Sonntag“ alle Stücke spielen – dürften Fans von Tejano Music besonders gut gefallen.
Mit dem 15. Studioalbum ist Regener und Kollegen ein großer Wurf gelungen. Das wird heute nochmal deutlich, durch entsprechend euphorische Publikumsreaktionen. Den Spinner, der am Anfang eines Konzertes immer lautstark „Romantik“ fordert, bringen sie wahrscheinlich längst selber mit. Vielleicht haben ELEMENT OF CRIME auch in jeder Stadt jemanden für diese Aufgabe. Das könnte erklären, weshalb Regener vor dem Konzert (oder es laut Selbstauskunft zumindest versucht hat) mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Köln zu fahren. Dabei landete er versehentlich – Fun Fact – bei – kein Scheiß -meinem Kardiologen (dem ich diesen Nebenjob durchaus zutrauen würde), dessen Praxis Regener aber sehr katholisch vorkam. Das hat vielleicht mit Sigmund Freud und / oder Johannes Mario Simmel zu tun. Wer das jetzt alles nicht versteht, muss sich nicht ärgern. Vor Ort bleibt das alles auch – sagen wir es mal vorsichtig – etwas kryptisch.
Viel falsch können EOC jedenfalls wirklich nicht mehr machen. Da kann Regener sogar fast etwas zu gefährlich in Richtung Westernhagen röhren und knarzen. Inzwischen besteht der Eindruck, dass die Band mit Lead-Gitarrist Jakob Ilja, Schlagzeuger Richard Pappik und Rookie Markus Runzheimer am Bass, zu einem Nationalheiligtum geworden ist. Damit konfrontiert, würde Regener sofort abwinken. Aber zwingt ihn ja auch keiner, dass er seine Band in Zukunft so vorstellen soll: „Hallo, wir sind ELEMENT OF CRIME, das Nationalheiligtum. Nach uns kommt erstmal ganz schön lange gar nichts!“ Einmal bekommen alle auf der Bühne und davor aber doch deutlich sichtbar einen kurzen Schreck, als für eine Millisekunde die PA, bzw. die Tonübertragung eines Teils der Instrumentierung ausfällt.
Bis auf dieses Fragment einer echten Panne, stellt sich der Konzertabend geradezu perfektionistisch dar. Es wird unfassbar tight und gelassen, und trotzdem mit Soul und Tiefe, gespielt. Wenn man sich die 2023er Live-Versionen der ikonischen Tracks, wie „Weißes Papier“, „Am Ende denk ich immer nur an dich“ oder „Delmenhorst“ (hier spielt Regener die Rhythmusgitarre fast mit einem Trash Metal ähnlichen Gitarreneffekt) anhört, und von diesen vermeintlich totgehörten Stücken überwältigt wird, ist festzustellen, dass sich die 1985 gegründete Band auf dem Gipfel ihrer Karriere befindet.
Zwei Stunden (und 5 Minuten) oder zwei Dutzend Lieder lang, dauert die Berliner Endorphin-Ausschüttung, die sich um kurz vor 22 Uhr mit einem Lächeln in einer behaglichen Sommernacht auflöst.