Die Hauptattraktionen, die zum zehnjährigen Staatsakt-Geburtstag im Berliner Kater Holzig aufspielten, tauchen in der Jubiläumsschrift „Was erscheint, ist gut, was gut ist, erscheint“ (Verbrecher Verlag), anlässlich des 20. Jahrestages unseres Lieblingslabels, nicht mehr auf (weder Dorau noch Palminger werden überhaupt erwähnt). Das waren wohl Missverständnisse der Staatsakt-Geschichte.
Aber nicht nur die beiden erwähnten Künstler (von Dorau weiß ich persönlich – Achtung Gossip – dass er gerne wieder bei Staatsakt veröffentlichen würde) waren wohl ein Missverständnis: Im Druffi-Paradies Kater Holzig, bzw. Kater Blau wird wohl auch so bald keine Staatsakt-Party mehr stattfinden. Inzwischen gehört man irgendwie zur Hochkultur und feiert mit einer zweitägigen Gala im Hebbel am Ufer (für morgen Abend gibt es noch Tickets) und einer anschließenden Tour durch die Indie-Metropolen (Berlin, Leipzig, Hamburg, Wiesbaden und Köln).
Ob das Fehlen von Dorau und Palminger irgendwie mit einer Aussage im Buch von LOCAS IN LOVEs Björn Sonnenberg „Es wird NIE passieren, dass sich irgendwer aus diesem Kontext als Arschloch herausstellt“ zu tun hat, ist auszuschließen. Schließlich kommt Tobias Jundt (BONAPARTE) im Buch ja auch mehrfach zu Wort. Den großen Bildungsroman über die 2000er Jahre im Berliner Indie-Schluffi-Milieu haben der PR-Manager Markus Göres und Labelgründer Maurice Summen mit „WEIGWGIE“ jetzt nicht unbedingt vorgelegt. Dafür wurde die Belegschaft in die Verantwortung genommen. Zu 17 Themen lieferte diese dann sehr kurzweilige Texte.
Die Geschichte des Staatsakt-Labels über die Künstler:innen erzählen zu lassen, war auf jeden Fall eine gute Idee. Denn so werden die klassischen Themen der Rockmusik, wie Desillusion (Christiane Rösinger), Größenwahn (Tobias Jundt) und Somnambulismus (Stella Sommer), aus erster Hand beschrieben. Wir erfahren, dass ganz Wien auf Heroin ist, dass Wunderkinder auch nicht immer einen leichten Start haben. Und dass man sich das Ganze auf gar keinen Fall antun sollte, wenn man auf die große Kohle aus ist.
M & M
Teilweise gewähren die Künstler:innen wirklich sehr intime Einblicke. Das geschieht mitunter herzzerreißend und berührend, wie in den Aufzeichnungen von Barbara Morgenstern und Chris Immler. Und genug „Opa erzählt vom Krieg“ enthält das Buch selbstredend auch.
Etwas schade ist es, dass Summen nicht selber das Wort ergreift. Wie gerne hätte man noch mehr aus erster Hand, über das Haus von seinen Eltern und dem riesigen Platten-Fundus von Vater Heinz-Bernd erfahren. Vielleicht bildet das ja dann irgendwann die Ausgangssituation des großen deutschen Indierock-Bildungsromans. Überhaupt: In „WEIGWGIE“ stecken tatsächlich einige interessante Bücher. Chris Immler könnte von seinen Memoiren garantiert direkt seine Filmrechte verkaufen (wenn es denn überhaupt will). Die Geschichte des Paars Schrank / Sonnenberg kann man sich ebenfalls sehr gut auserzählt vorstellen.
Zu welchen Schlussfolgerungen man nach der Lektüre des knapp 300 Seiten umfassenden Buches kommt, soll an dieser Stelle auf keinen Fall gespoilert werden. Dass die Diversität der Staatsakt-Künstler:innen dafür gesorgt hat, dass die Musik (die bleibt und nebenbei mal bemerkt auch wirklich gut gealtert ist) vielleicht der schönste Glücksfall des jüngeren deutschen Pop ist, darf man aber schon mal verraten…
Markus Göres / Maurice Summen: Was erscheint, ist gut, was gut ist, erscheint. Staatsakt Stories. Verbrecher Verlag, 300 S., br.. 24 €.
…und hier auch Nachhören: