In einem Artikel der Springer-Zeitung „Welt“ gibt es gerade eine persönliche Abrechnung mit Olli Schulz. Anders kann man den Text, der den Titel „Olli Schulz, er bleibt der ewig untalentierte Nebendarsteller“ trägt, nicht deuten. Dass am Ende keine Euthanasie-Empfehlung ausgesprochen wird, ist noch die einzige Gnade, zu der sich der Autor herablässt.
Der Text erscheint nicht ohne Grund zum jetzigen Zeitpunkt. Olli Schulz hat in seiner 21-jährigen Karriere gerade sein erstes Nummer 1 Album veröffentlicht. Manche Aufstiegsgeschichten sieht man bei Springer anscheinend nicht besonders gerne. Wenn Künstler aus einfachen Verhältnissen, wie Schulz oder sein Podcast-Partner Jan Böhmermann, Karriere machen, kann das nur daran liegen, dass „man den Zeitgeist eingefangen“ hat. Und der ist gerade laut „Welt“ am Tiefpunkt. Denn „ein größeres Sinnbild für Deutschland“ in dem das Album von Schulz auf Platz 1 geht und in dem die Redaktion vom ÖRR-Sender „NDR“ eine positive Rezension über das Album schreibt, „kann es beinahe nicht mehr geben“.
Es ist schon sehr interessant und auffällig, welche Zusammenhänge der Autor der konservativen Tageszeitung (neben den ganzen Beleidigungen im Text) herstellen will. Das unterscheidet ihn nicht von vielen anderen sehr lauten konservativen Stimmen in der letzten Zeit, die jegliches Unheil in der Gesellschaft im links-liberalen Milieu verorten wollen. Bei den ersten zweitausend von insgesamt viertausend Karteninhaber:innen der beiden ausverkauften Konzerte von Olli Schulz im Kölner E-Werk hat man jedenfalls zu keinem Zeitpunkt während des Abends das Gefühl, dass die Liedkunst von Marc Forster oder Tim Bendzko ihnen zu hoch ist – wie das ebenfalls im Text suggeriert wird – und sie deswegen heute zu diesem Konzert gekommen sind.
Der Konzertabend beginnt mit einem leider nicht besonders gut gemischten Support-Set der ehemaligen PRADA MEINHOFF Sängerin Christin Nichols. Gerade ihre Stimme geht im Mix ziemlich unter. Genauso schade ist auch, dass Nichols ihren besten Song „Morgen willst du mich“ heute nicht im Gepäck hat. Aber bereits am 14. April findet die nächste Solo-Show von ihr im Frannz Club in Berlin statt.
Gegen kurz vor 9h beginnt dann die Show der Hauptattraktion. Gegenüber seinen früheren Jahren (es ist meine erste Olli Schulz Show seit 2006) hat Schulz vielleicht nicht unbedingt seinen Redeanteil heruntergefahren, jedoch das Erzählen von Anekdoten nahezu eingestellt. Mit sechs Stücken stellt das neue Album den Löwenanteil der Show. Und man stellt fest, der Plan geht auf. Mit laufender Spielzeit wird die Stimmung im E-Werk immer ausgelassener. Das hier ist definitiv kein Publikum, dass nur wegen Schulz‘ Beteiligungen an TV-Sendungen oder seinem Podcast-Engagement gekommen ist.
Ob man am Ende des regulären Teils einen FLAMING LIPS like Auftritt (nur ohne LSD-injizierte Doppelbödigkeit) von Menschen in Tierkostümen für die Komplettierung eines gelungenen Konzertabends benötigt, möchte ich nicht entscheiden, dass soll die Kernzielgruppe tun. Dass vor ihm noch keiner auf die Idee mit der Kissenschlacht (im Zugaben-Teil) mit dem Publikum gekommen ist, wundert hingegen schon sehr.