Die Toxische Pommes hat jetzt ein Buch geschrieben. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich eine Wiener Juristin namens Irina. Ihre kurzen Clips auf Insta und TikTok punkten damit, dass sie es in diesen binnen weniger Sekunden schafft, den Nagel auf den Kopf zu treffen. Immer! Ob es da um eine realistische Einschätzung der Qualität von Frauenfiguren in aktuellen und oscarprämierten Männerphantasien oder um den Onkel vom Balkan geht, Toxis (haha) Videos zeichnen sich durch eine gnadenlose Beobachtungsgabe mit Mut zur eitelfreien Selbstironie aus.
Toxi flüchtete zusammen mit ihren Eltern während des Bosnienkriegs aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Österreich. Über die Zeit hat sie jetzt ein Buch geschrieben, das am Montag erschienen ist. Und das Gute an „Ein schönes Ausländerkind“ ist, dass es sich bei dem Roman weder um Identitätspolitik, noch um klassische Coming of Age Literatur handelt. Denn auch in Buchform geht es bei Toxi nicht um die Beschreibung schnöder eigener Eitelkeiten. Vielmehr ist der Wienerin mit ihrem Debüt eine Liebeserklärung an ihre Eltern – ohne Verklärungen und Beschönigungen – gelungen. Besonders im Mittelpunkt steht die enge Beziehung zum geliebten, aber – mal vorsichtig ausgedrückt – nicht ganz einfach gestrickten Vater.
Ohne nennenswerte Mittel und Deutschkenntnisse landet die Familie auf ihrer ersten Station in der Wiener Neustadthölle – im wahrsten Sinne des Wortes. Bei einer Familie Hell darf die dreiköpfige Familie kostenlos eine Haushälfte bewohnen. Klingt in der Theorie erstmal gut. Bedeutet in der Praxis aber die totale Ausbeutung, inklusive eines irren (Hell-)Sohnes, der die ersten Anzeichen einer Serienmörder-Bestimmung zeigt. Aber eine echte Jugo-Familie lässt sich (erstmal) nicht unterkriegen.
Besonders der Vater punktet neben solidem Musik- und Filmgeschmack, Bibelfestigkeit, flexibler Gestaltung des Tag-Nacht-Rhythmusses mit einem Strauß schlagfertiger Konter, wie auf Toxis Frage, ob er nicht lieber einen Sohn zum Kinde hätte, mit „ich hätte dich gar nicht erst aus meinen Eiern lassen sollen“.
Von der ganzen Scheiße die Toxis Familie in Österreich erleben muss, ob es sich dabei um eine rassistische Lehrerin, Behörden oder die bereits erwähnte Familie Hell handelt, wird der Geduldsfaden des Lesers das ein oder andere Mal ganz schön auf Spannung gezogen. Manchmal möchte man Toxi schütteln und sie anflehen, dass sie mal die Schule schwänzen und mit den Sargnagels der Stadt ein Bier im Park trinken soll. Aber bei Sturköppen ist das ja ziemlich sinnlos. Und von denen gibt es in Toxis Familie reichlich. Uneingeschränkte Empfehlung!
Paul Zsolnay Verlag
208 Seiten
Hardcover
ISBN 978-3-552-07396-8
Deutschland: 23,00 €