Das 2023 während der Berlinale-Retrospektive „Young at Heart – Coming of Age at the Movies“ gezeigte japanische Jugenddrama „Typhoon Club“, kommt jetzt Dank des Kölner Verleihs RAPID EYE MOVIES für kurze Zeit zurück in die Kinos.
Der in Berlin von Ryūsuke Hamaguchi („Drive My Car“, „Evil Does Not Exist“) ausgewählte Film, gehört zu einigen wenigen Filmen, die von der unabhängigen japanischen Produktionsfirma „Director’s Company“ produziert wurden. Die Firma war ein 1982 gegründeter Zusammenschluss japanischer Regisseure, die außerhalb des Studiosystems andere Filme, freiere Filme machen wollten. Nach einigen Jahren ging die Firma pleite. Glücklicherweise lagerten die Original-Negative der Filme bis vor einiger Zeit in einer Tokioter-Privatwohnung (!) und konnten so gescannt und restauriert werden.
Bereits in der ersten Szene von „Typhoon Club“, dem Film des sehr früh im Alter von 53 Jahren an Lungenkrebs verstorbenen Regisseurs Shinji Sōmai, ist etwas faul im Staate Japan. Eine Gruppe von Schülern hat in der Nacht ein Schwimmbad gekapert. Ein Junge treibt leblos im Wasser. Die Stimmung ist dennoch ausgelassen. Es wird gesungen und getanzt. Die Wiederbelebungsversuche an dem Kind wirken – vorsichtig formuliert – nicht unbedingt zielführend. Als ein herbeigerufener Lehrer – Herr Umemiya – die Szene betritt, ist man von der Teilnahmslosigkeit der Jugendlichen irritiert. Die nächste Szene, am Folgetag in der Schulkasse, ist nicht weniger seltsam. Während der Mathematikstunde wird Umemiya von der Mutter einer Kollegin, mit der er eine Affäre hat, vor der gesamten Schulkasse kompromittiert. Die Situation ist den Schülern äußerst unangenehm. Der gezeigte Gesichtsverlust ist, gerade mit der Platzierung am Anfang des Films, ungewöhnlich radikal für einen japanischen Film. Und doch auch wieder seltsam, aufgrund einer vermeintlich humoristischen Inszenierung.
Genau wie die Szene eines Schülers, der immer wieder einen Schuppen mit den gleichen Worten betritt und wieder verlässt. Auch hier wird der Zuschauer möglicherweise über die Irritation der Situation erstmal etwas schmunzeln. Das wird ihm in einer späteren, ebenfalls sehr repetitiven Szene jedoch deutlich vergehen, wenn derselbe Schüler versucht, eine Mitschülerin zu vergewaltigen. Die Sequenz gipfelt in einem Ausbruch, der die „Here‘s Johnny“ Szene aus „The Shining“ wie eine Teletubby Episode wirken lässt.
Radikalität, Beiläufigkeit und vermeintliche Leichtigkeit wechseln sich im Laufe des Films immer wieder ab. Am Ende des Films und des titelgebenden Wirbelsturms, an dem sich die Handlung entlang hangelt, gibt es eine längere Sequenz, die mit entsprechendem Monolog der Figur, ihren Suizid ankündigen soll. Ohne zu viel verraten zu wollen: Das Bild des Resultats, nach dem ausgeführten Versuch, fasst den Tenor des gesamten Films sehr, sehr treffend ein. „Typhoon Club“ von Shinji Sōmai ist eine fordernde und verstörende Wiederentdeckung des japanischen Kinos und eine große Empfehlung!
Kinostart: 23. Mai 2024
Im Verleih von Rapid Eye Movies
Japan 1985 / 115 Minuten / Original mit deutschen Untertiteln / FSK: ab 12
4K-Restaurierung in Zusammenarbeit mit Regieassistent Koji Enokido
Foto: Rapid Eye Movies