Redaktion: Wie fühlst du dich gerade nach dem Konzert?
Jenny Thiele: Ich fühle mich super glücklich. K.O. So wie nach gutem Sex.
Redaktion: Was braucht es denn für guten Konzert-Sex?
Jenny Thiele: Es braucht Verbundenheit unter den Musikern und Musikerinnen. Also bei einander zu sein, bei jedem Ton, den man spielt. Und im besten Fall das gleiche Gefühl auch noch mit dem Publikum. Und das hatten wir heute auf jeden Fall, weil die Leute hier so nah beieinander saßen, bei uns saßen und die Energie stimmte vom ersten Ton an.
Redaktion: Was hat dir am meisten Angst gemacht bei den Proben, vielleicht auch während des Konzerts?
Jenny Thiele: Heute haben mir in der Vorbereitung die neuen Lieder am meisten Sorge gemacht, tatsächlich. Weil es immer spannend ist, neue Lieder vor Publikum zu spielen. Man macht sich irgendwie noch mal nackig und die Lieder vom aktuellen Album sind sehr eingespielt. Die sind schon erprobt, sozusagen. Nach so einem starken Set, sage ich mal, dann neue Lieder zu spielen ist immer sehr aufregend. Aber es ist auch total geil, weil man dann spürt: Ist der Song schon fertig oder noch nicht? Braucht er noch irgendwas?
Redaktion: Hast du darauf dann eine Antwort bekommen? Gab es irgendeinen bestimmten Song, wo du sowas gemerkt hast?
Jenny Thiele: Hm, ja, habe ich bekommen.
Redaktion: Ja?
Jenny Thiele: Ja! (lacht)
Redaktion: Es ging ja heute viel um Perspektivwechsel. Wie findest du den Zugang zu diesen anderen Perspektiven? Wer führt dich dahin?
Jenny Thiele: Die Menschen um mich rum vor allem. Ich versuche so gut ich kann, aufmerksam zuzuhören und mich mit Menschen aus den verschiedensten Szenen oder Umgebungen, verschiedensten Hintergründen zu umgeben und denen zuzuhören und dann immer wieder meine eigene Perspektive zu relativieren und wahrzunehmen. Es gibt so viele Leben, die gleichzeitig stattfinden und meins ist nur ein ganz kleines, davon.
Redaktion: Ein kleines, aber sehr, sehr wertvolles Leben, weil wir deine Musik mitbekommen. Es gab während des Konzerts ein paar Momente, da bist du vom Mikro weggetreten und hast ohne Verstärkung deine Stimme gezeigt. Was steckt dahinter?
Jenny Thiele: Das mache ich tatsächlich sehr gerne bei Konzerten, weil gerade in so einem intimen Rahmen, wie hier im Alten Pfandhaus, braucht es eigentlich keine Mikrofone. Man könnte so ein Konzert auch komplett akustisch spielen. Und ich glaube, das hat einfach was mit Physik zu tun. Dass da Schallwellen bei den Zuhörenden ankommen, die nicht durch irgendein externes Gerät gehen, sondern die ganz direkt die Leute erreichen. Und ich habe auch das Gefühl, dass ich dann die Leute noch mal purer erreichen kann.
Redaktion: Was bekommst du in solchen Momenten von den Leuten gefühlt zurück?
Jenny Thiele: Aufmerksamkeit auf jeden Fall. Also, Aufmerksamkeit im Sinne von da sein, präsent sein – Und ich glaube auch so eine Bereitschaft, wirklich mal da zu sein! Weil ich glaube, wenn jemand so pur in den Raum rein redet oder rein singt, dann macht das was mit uns allen. Das ist was ganz Natürliches, oder was sehr Archaisches vielleicht. Ich glaube, das bewegt uns alle, bewegt unsere Moleküle. Und dadurch sind die Leute plötzlich sehr da und sehr nackig.
Redaktion: Deine Frisur ist ja auch ein bisschen „nackiger“. Du hast deine Seiten hinter den Ohren ausrasiert. Was gab dir die Inspiration dazu?
Jenny Thiele: (lacht) …Ähm, eine Tätow-Künstlerin auf Insta. Bei der habe ich das das allererste Mal gesehen. Und da dachte ich, mega, will ich auch.
Redaktion: Und hat sich bewährt bis jetzt?
Jenny Thiele: Ich lieb‘s.
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