Vier Geschwister aus Wien, alle (nach außen) höflich, alle diszipliniert. WALLNERS – Anna, Laurenz, Nino und Max – stammen aus einem Haushalt, in dem Musik das Geschäft war: Der Vater verkaufte Klaviere.
Dass aus diesem Milieu kein Punk entsteht, überrascht niemanden. Laurenz spielt Klavier, Nino und Max Gitarre und Bass, Anna singt.
Die Zoomer haben den Dreampop für sich entdeckt. Dreampop, nicht Shoegaze. Die Unterscheidung ist wichtig. Shoegaze war Rückzug, Lärm als Abgrenzung, die Nebelwand als Haltung. Der zeitgenössische Dreampop ist die saubere Version davon – weichgezeichnet, ausgeleuchtet, kompatibel mit jeder Plattform. Diese Musik funktioniert wie ein ästhetischer Filter: Sie erzeugt ein Gefühl von Tiefe, ohne diese auch nur ansatzweise zu haben. Sie ist die akustische Verlängerung von Instagram-Profilen, auf denen sogar Einsamkeit dekorativ aussieht.
Ich erinnere mich an das Konzert von CIGARETTES AFTER SEX im Carlswerk Victoria, eines der bizarrsten Erlebnisse der letzten Jahre. Schon vor dem ersten Song lag ein merkwürdiges Unbehagen im Raum. Alles war auf Intimität getrimmt, aber auf die falsche Weise: nicht nah, sondern unangenehm nah. Dann eineinhalb Stunden lang das gleiche Lied, in unterschiedlichen Beleuchtungen. Die Band spielte, als wäre sie von der eigenen Empfindsamkeit gelangweilt. Auf der Leinwand liefen Zitate aus Antonioni und Godard. Es war alles da: der Versuch von Eleganz, der Wille zur Kunst und die absolute Ereignislosigkeit. Man konnte nur staunen, wie professionell man Langeweile inszenieren kann.
In dieser Ästhetik bewegen sich auch WALLNERS. Ihr erstes Stück „in my mind“ erschien 2020, still, unaufgeregt, mit einem Selbstverständnis, als hätte es die Band schon immer gegeben. Der Song lief im Radio, Christian Petzold hörte ihn zufällig und baute ihn in „Roter Himmel“ ein – ein Bruch mit seiner üblichen Arbeitsweise.
Petzold verzichtet sonst fast vollständig auf Filmmusik. Jedenfalls meistens. In seinen Filmen gibt es normalerweise nur diegetische Musik. Hier aber griff er zu einem alten Trick: dem wiederkehrenden Motiv. In den fünfziger und sechziger Jahren war das Standard – ein musikalisches Thema, das den Film strukturiert, bei Nino Rota in Italien, bei Michel Legrand in Frankreich, bei Max Steiner in Hollywood. Diese Technik verschwand fast völlig, heute verdrängt durch Sounddesign und postmoderne Zitate. Petzolds Rückgriff darauf wirkt deshalb fast trotzig klassisch. Das Stück der WALLNERS ist dafür perfekt. Ziemlich fantastisch ist es nebenbei auch; sollte man mal festhalten. Den Heinis von den Fickaretten sind sie sowieso überlegen.
Seit Februar liegt nun ein erstes Album vor. Es heißt „End of Circles“ und klingt genau so, wie der Titel verspricht: abgeschlossen und kontrolliert. Vielleicht sogar abgeklärt. Jede Spur sitzt, jeder Ton weiß wohin er gehört.
Die Band bringt dieses Album nun in die Kirche. Jedenfalls in Köln. Eigentlich nur logische Konsequenz: Räume, die stillhalten, in denen nichts dazwischenkommt. Meistens jedenfalls. Der Klang wird groß, aber nie zu laut. Passt zur Musik, zu der man lieber schwebt als spaziert.
Dass niemand so gemein ist, wie der gemeine Österreicher (Wiener schlimmste), weiß man. Das Magazin CO-VIENNA überschrieb sein Porträt über die Band mit: „Kelly Family Reloaded.“ Man kann das beleidigend finden. Oder einfach als landestypische Form von Zuneigung lesen. Da sind wir doch viel freundlicher.
Tickets für die Kulturkirche gibt es hier.
Foto: Tim Cavadini







