Es ist schon irgendwie seltsam, an einem Samstagabend in einer langen Schlange vor der Kirche zu stehen. Noch seltsamer sind die vielen jungen Menschen, die schnell ihre leere Bierflasche vor die Treppen des imposanten Eingangs stehen lassen, um sich in Schaaren in die das Haus Gottes zu zwängen. Nein, die Jugend ist nicht bekehrt und eilt zum Wochenendgebet. Sie will heute Abend jemand anderen huldigen, jemanden der nicht von Liebe predigt, sondern darüber singt: Fin Greenall mit seiner Kapelle Fink verwandelt den heutigen Abend in der Passionskirche in seine Messe.
Eine Messe, in der es anstatt Wein Bier gibt, die statt leeren Bänken einen aus allen Nähten platzenden Saal vorweist und in der kein Pfarrer am Altar steht, sondern Fin Greenall an der Gitarre sitzt. Passend zum aktuellen Album Titel PERFECT DARKNESS ist der Saal in Dunkelheit gehüllt. Als einzige Lichtquellen erstrahlen die zu einem Netz verwobenen sperrigen alten Schreibtischlampen, die mal stärker und mal schwächer ein pulsierendes warmes Licht spenden. Mitten in diesem Metallgewirr lassen drei Männer Musik sprechen und diese bis in die Herzen der Menschen durchdringen: Greenall mit seinen Bandkollegen Tim Thornton am Schlagzeug und Guy Whittaker (ja, der Sohn von Roger Whittaker) am Bass. Kaum zu Glauben, dass der Frontmann seine musikalische Karierre als DJ in elektronischen, vornehmlich Triphop-Gefilden begann.
So rasant schnell seine alte Musik war, so gemäßigt und ruhig übt er sich in seinen heutigen Folk und Blues. Mit „Biscuits for Breakfast“ beginnt das Set und versetzt alle ab den ersten Takt in Trance. Bis auf den tosenden Applaus zwischen den einzelnen Liedern herrscht andächtige Stille. Alle lauschen seinen „Blueberry Pancakes“ und seinem „Trouble’s What You’re In“. Bei „Berlin Sunrise“ meint man die Sonne aufgehen zu fühlen, denn die Schreibtischlampen pulsieren nun heller als bei den Liedern zuvor und eine aufgeregte Aufbruchstimmung macht sich breit. Die treibenden Bassläufe kitzeln in der Magengegend und der repetitive Schlussteil erntet einen dankbaren Applaus, dankend für diese wunderschöne und heimliche Hymne an unsere Hauptstadt.
Die Gänsehaut hört nicht auf, wird von „Wheels“ bis zu „This is The Thing“ immer stärker und erreicht bei „Sort of Revolution“ beängstigende Ausmaße. Herr Greenall kniet währenddessen an den Gitarrenamps und Pedalen und entlockt den Geräten verzerrte elektronische Töne. Da erkennt man für einen kurzen Moment doch wieder den DJ in Fink. Das große Finale liefert „Pretty Little Thing“, das Greenall ganz alleine ohne seine Bandkollegen bestreitet und dabei so ehrlich, verletzbar und gleichzeitig voller Leidenschaft erfüllt wirkt.
Am Ende wirkt der samstagabendliche Kirchengang gar nicht mehr seltsam, denn auch wenn heute kein Pfarrer von der Liebe Gottes gepredigt hat, so ist Botschaft der Liebe doch bei jedem Besucher angekommen. Möge sie dort für eine Weile verweilen.
Fotos vom Konzert; Fotografin Roxi K.
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