Beverungen. Sonne. Beste Laune. Dank des Orange Blossom Special 16. Es klingt abgedroschen, aber wer noch nicht da war, dem kann man die Atmosphäre dieses Festivals wohl schwer begreiflich machen. Mitten im idyllischen Weserbergland, eben in Beverungen, findet in einem Villengarten ein kleines aber feines Open Air Festival statt. Villengarten? Jawohl! Der Veranstalter, das ortsansässige Plattenlabel Glitterhouse Records, veranstaltet nämlich seit nunmehr 16 Jahren sein Festival im Garten seines Bürogebäudes und so läuten jährlich über 20 Bands in der Wohnsiedlung direkt neben der Weser Bands aus den Genres Indie-Rock, -Pop, Americana und Rock die Festivalsaison ein. So auch dieses Jahr, in dem es der Wettergott wohl ganz besonders gut mit den OBS’lern meint.
Bereits am Freitagabend trudelten die Festivalgänger in den Glitterhouse-Garten ein, um sich Alamo Race Track oder später am Abend auch The Miserable Rich anzuschauen. So Special dieses Festival ist, so ungewöhnlich und gemischt ist auch das Publikum. Reisen einerseits Liebhaber des OBS aus der ganzen Bundesrepublik an, freuen sich auch die Beverunger über das Event direkt in ihrer Nachbarschaft. So stehen Indie-Mädchen neben zotteligen, älteren Herren mit Cowboyhut und Hausfrauen neben Musiknerds. Und mittendrin wuseln kleine Kinder mit überdimensionalen Ohrschützern herum, die sich im hinteren Teil des Gartens im Sandkasten oder auf dem Mini-Karussell ihre Zeit vertreiben können. Ebenfalls im hinteren Teil kommen auch die Großen auf ihre Kosten, wenn es um das leibliche Wohl geht.
Eben um dieses geht es den meisten Campern dann wohl auch am Samstagmorgen, treibt die Sonne doch die meisten schon sehr früh aus den gegen 8 Uhr bereits gefühlten 120 Grad warmen Zelten. Zwischen dem direkt an der Weser gelegenen Campingplatz und dem Festivalgarten sorgt die lokale Bäckerei dafür, dass die verkaterten Mägen mit etwas Festem gefüllt werden können. Dann noch schnell eine erfrischende, eiskalte Dusche im Tennisheim des THB Beverungen und dann heißt es schnell mal an der Bühne vorbeigeschaut, tritt dort doch Rocco Recycle auf, die One-Man-Show, die auf Schrott Musik macht und in den vergangenen Jahren immer als Zwischenact auf der Nebenbühne für Unterhaltung sorgte. Gleich darauf folgt Scott Matthew mit einem Set aus Coversongs. Ist der Australier nur kurzfristig für die verhinderte Amanda Rogers eingesprungen, kann er doch 100 %ig mit seinen tollen Covers und nicht zuletzt seiner warmen Stimme und seinem Charme überzeugen. Weit heraus stach aber wohl das Cover “Dance With Somebody“ von der kürzlich von uns gegangenen Whitney Houston, bei dem der ganze Garten im Refrain gerührt mitsang. Nach weiteren leisen Tönen von Andrea Schröder ging es dann bei den Garage-Rockern von The Fuzztones erst einmal richtig ab. Gutgemachter, veritabler Rock beschallt das Gelände, das sich nun immer mehr füllt. Je dichter das Publikum steht, umso besser scheint die Laune zu werden, völlig unbeeindruckt von den hohen Temperaturen durch die heiße Mittagssonne. Den Gute-Laune-Höhepunkt erreichen die meisten Gäste an diesem Tag wohl bei Erland And The Carnival, die nicht nur mit ihren Interpretationen von englischen und schottischen Folksongs begeistern. Kein Wunder, schlägt hier doch Simon Tong, ehemaliges Mitglied von The Verve und unter anderem schon mit The Blur und The Gorillaz getourt, in die Saiten. Der Garten tanzt noch einmal ausgelassen mit, bis der Abend dann mit sphärischen Tönen seinen Abschluss findet. Die Schweden von Immanu El betreten bereits im Dunklen die Bühne, die bestenfalls in schweres, rotes Licht getaucht ist und den Glitterhouse-Garten auf einmal völlig unwirklich erscheinen lässt. Tief versunken in ihre Instrumente liefern die drei Jungs somit einen geschmeidigen Abschluss des zweiten OBS-Tages, der für viele der Besucher allerdings noch lange nicht sein Ende gefunden hat und viele sonnengemarkte Musikfreunde in die örtliche Kneipe, den Stadtkrug, treibt, um sicherlich noch das ein oder andere Tanzbein zu schwingen.
Der Sonntag beginnt gemächlich. Doch mag dies wahrscheinlich nicht an der Natur des Sonntages, sondern vielmehr an der Partytauglichkeit des Stadtkruges am Vorabend zu liegen. Doch keine Eile, beginnt das Programm doch „erst“ am Mittag. Also gemächlich vorbei am orangenen Esel, dem diesjährigen Maskottchens des OBS, das nur einen Teil zu dem unvergleichlichen Charme dieses Festivals beiträgt, das sein Design jedes Jahr neu zu erfinden scheint und der Orange Blossom Special Linie doch so treu bleibt. Wer diese ClickClickDecker wohl sein mögen, das scheint den meisten Festivalgängern nicht so ganz klar zu sein. Dem bewanderten Audiolith-Fan wird dann aber recht schnell klar, dass sich hinter dem Bandnamen zu 50 % Kevin Hamann verbirgt, der unter anderem mit der Elektro Band Bratze von sich hat hören lassen. Was er mit ClickClickDecker da nun vorzutragen weiß, hat aber so gar nichts mit Elektro zu tun. Aufrichtige Gitarrensongs werden da vorgetragen, die im Gegenzug das Publikum so einige Sympathiepunkte zurückspielen lässt. Dass es aber noch sympathischer geht, zeigen die Kanadier Nive Nielsen & The Deer Children. Die gebürtige Grönländerin und ihre Band spielen ihre erste Show in Deutschland und kommen beim Publikum so gut an, dass es ganz sicherlich auch nicht ihr letzter sein wird! Zuckersüß sind nicht nur die Songs, die größtenteils auf Englisch und manchmal aber auch auf Inukitut, der Sprache der Inuits, vorgetragen werden; auch Nive selber scheint mit der Sonne um die Wette zu strahlen. Sie freue sich wirklich wahnsinnig, auf diesem Festival spielen zu dürfen und das Publikum sei wirklich wundervoll! Keine abgedroschene Phrase, das kommt wirklich von Herzen. Nach den Folkern The Travelling Band, die sich stylisch irgendwo zwischen Rockern à la Kings of Leon und Coolness ganz nach Gallagher-Brüder-Art einordnen lassen, musikalisch aber eine interessante Mischung aus Nu-Folk und Psychedelic liefern, kommt das Festival zu einer weiteren Tradition: der Versteigerung des „Orange Blossom Special 16“-Gemäldes, auf dem alle diesjährigen Bands unterschrieben haben, bzw. dies noch tun werden. Veranstalter Rembert und Kollege leiten die Versteigerung wie die Profis und zum Schluss geht das gute Stück für sagenhafte 2.700 Euro an den Mann. Natürlich für einen guten Zweck, kommt der Erlös – wie auch der der selbstdesignten Unikat-Stoffbeutel – doch dem Hamburger Verein zur Trinkwasserversorgung Viva Con Agua zu Gute.
Nach so viel Wohltätigkeit will dann aber auch mal wieder ausgiebigst getanzt werden, und wer eignet sich da wohl besser als The Fog Joggers, die bereits 2010 auf der Glitterhouse-Bühne stehen durften und die den ein oder anderen Festivalbesucher als ihr Fan bezeichnen dürfen? Bereits am frühen Nachmittag huschten schon junge Damen in Fog Joggers T-Shirt und temporären Körperbemalungen durch den Garten. Sicherlich dieselben, die sich beim Auftritt der Krefelder auch in erster Reihe aufstellen und den Auftritt lauthals bejubeln. Zu Recht, denn was die junge Band da auf die Bühne bringt, geht in die Hüften. Sänger Jans rauchige Stimme schmettert dem Publikum mal die rockigen Hooks um die Ohren, und weiß dann aber auch solo, nur von seiner Akustikgitarre begleitet, den Song „Real Life“ ganz gefühlvoll vorzutragen. Der Rest des Sets ist allerdings eher tanzbarer Natur und lässt den Wunsch aufkommen, dieses Orange Blossom Special 16 solle doch bitte niemals zu Ende gehen. Doch das Ende kommt. Bald sogar, denn bereits an diesem Abend spielen die von den OBS-Machern hochgelobte amerikanische Rockband Spain und schließen so das diesjährige OBS ab. Vor elf Jahren standen die Kalifornier schon einmal in diesem Garten. Die Erfahrung und die Festigkeit lassen sich in den melancholischen Songs wirklich nicht verleugnen und doch scheinen sie nicht den Geschmack eines jeden Zuschauers zu treffen. Doch glücklicherweise gibt es da ja noch den Stadtkrug, der geschmacklich und in flüssiger Form noch so einiges zu bieten hat, um den Abend ausklingen zu lassen.
Ein Wochenende mit großartigen Bands, einer unvergleichbaren Atmosphäre und jeder Menge toller Musik geht zu Ende. Was bleibt, ist der OBS-Blues.
Unser Freund Manuel Kalb von Triggerfish hat einige Festivaleindrücke in Videoform festgehalten:
Und wem das alles nicht reicht, der kann sich auf der Rockpalast-Seite wunderbare Akustiksessions des diesjährigen Orange Bloss Specials anschauen.
Bilder vom Festival, Fotografin Juli L.
Festivaleindrücke
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Andrea Schröder
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The Fuzztones
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Israel Nash Gripka
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Navel
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Erland & The Carnival
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ClickClickDecker
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Nive Nielsen & The Deer Children
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The Fog Joggers
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