Auch am zweiten Tag befinden sich im kleinen Städtchen Wirges gefühlt noch immer doppelt so viele Menschen wie normal. Das neunte Spack! Festival im Westerwald ist ausverkauft. Und auch an diesem Samstag stehen die Zeichen bei noch höheren Temperaturen und Bombenwetter auf Party.
Und die wird gegen 15.00 Uhr durch die Hessen von Radio Los Santos eingeläutet. Sie eröffnen also diesen zweiten Festivaltag mit ihrem akustischen Folk-Rock, der einen so manchmal an The Boss Hoss denken lässt. Allerdings kommt man hier sogar noch in den Genuss von Violinenbegleitung. So oder so fühlt man sich – gerade durch die sensationellen Witterungsverhältnisse – geradewegs auf den Rücken eines durch den Wilden Westen reitenden Gauls versetzt und kann sich zu früher Stunde und lockeren Sounds einfach treiben lassen. Als zweites steht die Andernacher Pop-Punk-Formation Famous for a Cutie in den Startlöchern, die ebenfalls zu begeistern weiß und das langsam anwachsende Publikum zunehmend zur Bühne zieht. Auch hier fühlt man sich wieder an einige der Größen aus dem Business erinnert und musikalisch gut aufgehoben. A propos Größe: Jimmy Carter – nein: nicht der 39. Präsident der Vereinigten Staaten, sondern die Lokalmatadoren aus Höhr-Grenzhausen im Westerwald – kommen nun zum Zuge. Bei ihnen geht es wieder etwas ruhiger zu. Ihr deutschsprachiger und sommerlich anmutender Indie Pop/Rock kommt beim Publikum gut an und passt zum Spack! Festival und zum Wetter wie die Faust aufs Auge. Am späten Nachmittag ist es dann wieder Zeit für die erste internationale Band des Tages: Nations Afire aus Los Angeles legen vor gespannten und fröhlichen Zuschauern eine 1A-Punk-Rock-Show hin und bringen wieder etwas mehr Geschwindigkeit und Lautstärke zurück auf die Bühne. Im Anschluss geht es im gleichen Stil weiter. Diesmal gibt es Punk Rock aus New York State auf die Ohren. Polar Bear Club ist zu Besuch und steht der Show von Nations Afire in nichts nach. So langsam ist die ständig wachsende Masse gut aufgewärmt für das Hammerprogramm des Abends.
Während der Umbauphase wird es richtig voll. Weil es so schön war, folgt nämlich der dritte Punk-Rock-Act in Folge. Und nun handelt es sich dabei um keinen Geringeren als die Pop-Punk-Formation Yellowcard aus dem sonnigen Jacksonville, Florida. Als die Jungs um Frontmann Ryan Key und Violinist Sean Mackin auf die Bühne kommen, gibt es kaum mehr ein Halten. Denn trotz der langen Bandgeschichte und des anhaltenden Erfolgs der Truppe ist sie hierzulande über die Jahre nur selten zu sehen gewesen. Und so bekommt Yellowcard die überschäumende Freude über den Auftritt beim Spack! Festival und das brandneue Album „Southern Air“ von Beginn an zu spüren. Die anfängliche Aufforderung der Band ans Publikum, mit ihr gemeinsam eine riesige Party zu feiern und so laut mitzusingen wie es nur irgendwie geht, übersteigt die begeisterte Masse dann sogar sehr schnell. Die extrem sympathische und gut gelaunte Band gibt bei ständiger Interaktion mit den begeisterten Fans ein Repertoire quer durch ihre Geschichte zum Besten. Bei Songs wie „Ocean Avenue“, „Lights and Sounds“ oder der Punk-Ballade „Only One“ herrschen fast ekstatische Zustände im Publikum. Die Songs aus dem neuen Album werden genauso gut angenommen wie die Klassiker. Zudem muss die Band wegen lang anhaltender „Yel-low-card! Yel-low-card!“-Sprechchöre zwischen den Songs immer wieder länger pausieren und kann diese überschwängliche Begeisterung sichtlich kaum fassen. Mit dermaßen viel Zuspruch hatten die Jungs nicht gerechnet und allmählich spürt man: Hier passiert gerade auf einem kleinen Festival im Westerwald etwas richtig Großes. Bei Circle-Pit, Hinsetzen und „Rudern“, Crowd-Surfing, Pogo, ständigem Auf- und Abspringen und aus voller Kehle Mitsingen wird auf und vor der Bühne ein unfassbares Feuerwerk abgebrannt. Und am Ende bleibt kein T-Shirt auch nur annähernd trocken. Am Ende verabschiedet sich die Band ausgiebig, verspricht, bald wiederzukommen und wird über die Maßen gefeiert.
Ein Highlight folgt auf das andere. Viele hatten lange darauf gewartet und jetzt ist es endlich soweit: Nach dem Monsterspektakel von Yellowcard geben sich die so sympathischen Chemnitzer Senkrechtstarter von Kraftklub die Ehre. Publikumsnah und bodenständig, wie man sie kennt, legen sie nach selbst durchgeführtem Soundcheck sofort ordentlich los und ziehen das gesamte Festivalgelände fest in ihren Bann. Es ist ähnlich voll wie am Vortag bei Cro und es herrscht eine völlig gelöste Atmosphäre unter tausenden von Musikbegeisterten, die wirklich jeden Kraftklub-Songtext von vorne bis hinten auswendig zu können scheinen. Ein Song wird frenetischer aufgenommen als der andere und nicht nur beim Superhit „Songs für Liam“ steht das Publikum Kopf. Und wie Yellowcard zuvor, so betonen auch die Karl-Marx-Städter, wie hin und weg sie vom Spack! Festival und seinen Besuchern sind. Schließlich geht aber auch diese explosive Mischung aus Indie-Rock und Deutsch-Rap nach mehr als einer Stunde und der Performance des vielumjubelten Songs „Scheiß in die Disco“ zu Ende.
Doch hat das diesjährige Spack! Festival für viele Besucher noch einen weiteren Leckerbissen parat. Denn auch die Hip-Hop-Fans gehen am zweiten Festivaltag nicht leer aus. Das Schlusslicht des Abends bildet nämlich die Rap-Kombo K.I.Z., die nach 2010 schon zum zweiten Mal antritt. Und während einige schon das Gelände Richtung Campingplatz verlassen, oder um den Heimweg anzutreten, kommen andere zu später Stunde und bei der etwas raueren textlichen Gangart voll auf ihre Kosten. So lassen die zynischen und sarkastischen Berliner Rapper, bei denen K.I.Z. nach einigen Bedeutungsänderungen momentan für „Kapitalismus ist zauberhaft“ steht, den zweiten Festivalabend auf ihre ganz eigene Weise ausklingen: Eine teilweise bombastisch aufgezogene Bühnenshow begleitet die aggressiven Beats und die so provokanten wie sexistischen Texte und bildet das letzte Highlight des diesjährigen Spack! Festivals. Die Fans sind begeistert und verlassen nach dem Auftritt ihrer Rap-Idole aus der Hauptstadt nach und nach das Festivalgelände.
Der so ereignis- und erfolgreiche zweite Festivaltag ist also schließlich auch vorüber und es wird wieder ruhig im beschaulichen Wirges – naja, bis auf einige mitgebrachte Anlagen, die vom Campingplatz aus die Felder und den Stadtrand wahrscheinlich noch bis in die frühen Morgenstunden beschallen werden. Am Ende war es ein rundum überragendes Festivalwochenende im Westerwald, das trotz der guten Erfahrungen aus den letzten acht Jahren alle Erwartungen übertroffen hat und schon jetzt Lust auf die Wiederholung im nächsten Jahr macht.
Eindrücke von Tag 2 des Spack! Festivals
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Fotografin: Jennifer Wallburger