Für Verwirrung sorgten Tocotronic mit ihren Album- oder Songtiteln schon früher gerne. Nun also: WIE WIR LEBEN WOLLEN. Stellt die Kombo um Frontmann Dirk von Lowtzow damit ihre eigene Vergangenheit etwa selber in Frage? Kaum zu erwarten, wurde doch allein das letzte Album SCHALL UND WAHN landein und landaus als Meisterwerk gefeiert.
Aber doch: Etwas ist anders auf dem zehnten Album der Band aus Hamburg. Der Seitenscheitel von Lowtzows als Zeichen intellektueller Ausdruckskraft sitzt unbeeindruckt und bombensicher, die Texte scheinen wie üblich aus dem Lehrbuch für angehende Lyriker zu kommen. Es ist der Gesamtsound, der sich im Vergleich zum Vorgänger geändert hat. Flugs mal eine knackige Portion Hall und Reverb auf die Instrumente und den Gesang gelegt, die Gitarren ordentlich verzerrt und Zack: Tocotronic haben den Shoegaze für sich entdeckt. „Die Revolte ist in mir“, singt von Lowtzow, als wolle er sagen: „Schaut mal, wir können auch anders!“
Was WIE WIR LEBEN WOLLEN letztlich gar nicht ist. Zumindest nicht so richtig. Nur ein weiteres gutes Album in der an Höhepunkten nicht armen Tocotronic-Diskographie und auch eine Möglichkeit, einmal mit den Idolen lauthals die Textzeile „Hey hey hey, das Glück hat mich verfolgt“ zu grölen. Denn: „Wer schlechtes denkt, der schweigt.“ Alles klar, Chef.
Ohr d’oeuvre: Im Keller, Warte auf mich auf dem Grund des Swimmingpools, Wie wir leben wollen
VÖ: 25.01.2013; Vertigo / Universal
Tracklist:
01. Im Keller
02. Auf dem Pfad der Dämmerung
03. Abschaffen
04. Ich will für dich nüchtern bleiben
05. Chloroform
06. Neutrum
07. Vulgäre Verse
08. Warte auf mich auf dem Grund des Swimmingpools
09. Die Verbesserung der Erde
10. Exil
11. Die Revolte ist in mir
12. Warm und grau
13. Eine Theorie
14. Höllenfahrt am Nachmittag
15. Neue Zonen
16. Wie wir leben wollen
Gesamteindruck: 8/10
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