Eine Band, die die Hamburger Schule geprägt hat wie kaum eine zweite, wird zwanzig Jahre alt. Dies soll gefeiert werden und das stark gefüllte E-Werk in Köln bietet eine gute Grundlage dafür. Ein neues Album namens WIE WIR LEBEN WOLLEN hat das Quartett zusätzlich am Start, doch bevor Köln dazu lauschen kann, vergeht noch eine Weile. Nach einem Spot für Pro Asyl auf einer Leinwand, welches auch das politische Engagement der Band unterstreicht, ist der Support It’s A Musical an der Reihe. Das schwedisch-deutsche Duo nutzt überwiegend Keyboard und Schlagzeug während ihres Sets, den Stil ihrer Musik bezeichnet Wikipedia als eine Mischung aus Electronica und Twee-Pop, zu der beide Akteure gleichberechtigt im Duett singen. Recht unterhaltsam und mal was anderes, ein durchaus gelungener Support mit sympathischen Musikern. Sie wirken ein bisschen wie die Antwort auf An Horse ohne Gitarre, dafür mit Klavier. Doch so hundertprozentig passen diese Beiden und deren Musik nicht zu der von Tocotronic, stört allerdings auch nicht sonderlich.
Es kann jedenfalls nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Publikum die Jungs von Tocotronic empfangen möchte und nach einer recht kurzen Umbaupause legt das Quartett um Sänger Dirk von Lowtzow gleich los. Insgesamt geben sie ein schnelles Tempo vor: Wenig reden, viel spielen scheint das Motto, immerhin soll aus acht von zehn Studioalben mindestens ein Song gespielt werden. Dadurch entsteht ein toller Querschnitt aus der Historie der vier (Wahl-)Hamburger. So kommt mit „Freiburg“ ein Song der ersten Stunde in die Halle, aber auch neun Songs aus ihrem aktuellen Album finden auf der Setlist Platz. Die vorderen Reihen gehen zu Liedern wie „This Boy Is Tocotronic“ gut ab, die hinteren Reihen wippen meist nur gemütlich mit. Auf der Bühne pflegen Tocotronic einen ungewöhnlich rauen Sound zu spielen, der in der Zielgeraden mit „Freiburg“ zusätzlich an Fahrt gewinnt. Artig bedanken sich die Musiker und ernten zwischen den Liedern sehr viel Beifall, doch eine echte Kommunikation zwischen Band und Fans findet nicht statt – man lässt die Musik sprechen. Immerhin kommen sie dreimal für Zugaben auf die Bühne, dabei warten die Leute im E-Werk wohl nur auf die Eine. Tocotronic scheinen das genau zu wissen und bringen „Let There Be Rock“ nach rund zwei Stunden am Ende des Gigs. Das sorgt erneut für Ovationen und für eine Verbeugung von Lowtzows vor dem Publikum. Fans zufrieden, Band zufrieden, was will man mehr? Auf die nächsten 20 Jahre.
Setlist:
Im Keller
Ich Will Für Dich Nüchtern Bleiben
Drüben Auf Dem Hügel
Meine Freundin Und Ihr Freund
Vulgäre Verse
This Boy Is Tocotronic
Sag Alles Ab
Aber Hier Leben, Nein Danke
Warte Auf Mich Auf Dem Grund des Swimmingpools
Abschaffen
Alles Wird In Flammen Stehen
Auf Dem Pfad Der Dämmerung
Die Revolte Ist In Mir
Macht Es Nicht Selbst
Jackpot
Hi Freaks
Warm Und Grau
Freiburg
Ich Bin Viel Zu Lange Mit Euch Mitgegangen
Wie Wir Leben Wollen
17
Let There Be Rock
Foto: Daniel Berbig
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