Gepunktet, geblümt oder einfach unifarben – so sah die „Gummi-Stieflä“-Kollektion beim Gurtenfestival 2009 aus. Nicht nur trendy sondern ganz schön clever, denn nach schweren Regenfällen verwandelte sich das Gelände am Berner Berg in eine Sumpflandschaft.
Gurten 2009, ein Festival, das nicht nur wettertechnisch alle Höhen und Tiefen zu bieten hat. Donnerstagnachmittag startet bei Sonnenschein die 26. Auflage der Schweizer Großveranstaltung und hält mit Acts wie Bloc Party, White Lies und Franz Ferdinand schon am ersten Tag große Namen der aktuellen Musikszene bereit. Leider überzeugen Bloc Party diesmal nicht, weiß man zwischenzeitlich nicht mal, ob es an technischen Problemen oder dem tatsächlich nicht vorhandenen Gesang von (Sänger) Kele Okereke liegt, dass bestimmte Textzeilen einfach nicht zu hören sind. Dafür können die vier Schotten von Franz Ferdinand das Publikum ganz für sich gewinnen und mit einem gekonnten Mix aus alten und neuen Liedern verzücken. Nach dem soliden Auftritt der White Lies auf der Zeltbühne, sorgt zum Abschluss des Abends das norwegische Duo von Röyksopp für ein musikalisches Donnerwetter, während im Hintergrund schon die ersten Blitze den Himmel erhellen.
Die Schlechtwetterfront beschließt am Freitag ein Dauergast zu sein und man wünscht sich nicht nur bei Peter Fox’ Auftritt, es würde langsam ‚schwarz zu blau’. Der Seeed-Frontman trägt mit seiner mitreißenden Performance einen entscheidenden Teil dazu bei, dass trotz des schlechten Wetters die – zumeist in Regencapes oder Plastiksäcke gehüllten – Zuschauer gute Laune haben. Von dieser tollen Stimmung zeigt sich Rapper Sido so beeindruckt, dass er sich zur Erinnerung eine Tätowierung stechen lässt und diese, inklusive eigens herbeigerufenem Tätowierer, auf der Bühne präsentiert. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass er sich nach seinem Ausflug in die Popstars-Jury im letzten Jahr noch einmal als harter Kerl beweisen wollte.
Die Überraschung des Tages kommt ganz klar von Morph, die als Ersatz für Friendly Fires nachmittags auf der Zeltbühne stehen, und mit elektronischen Klängen sowie einem gelungenen Cover des Prodigy-Hits „Breathe“ die Menge zum Tanzen bringen. Nicht nur den Zuschauern macht die Show riesigen Spaß, sondern auch der Band selbst, die erst nach mehrfacher Ermahnung mit Hilfe eines Schildes widerwillig die Bühne verlässt.
Am Samstag erinnert dann wirklich nichts mehr daran, dass wir Mitte Juli haben, denn die Temperaturen sind nach den anhaltenden Regenfällen in den Keller gesunken. Ebenfalls kalt und lustlos erweist sich der Auftritt von Oasis, die als Headliner des Tages von vielen Festivalbesuchern sehnsüchtig erwartet werden. Die Briten spielen zwar alle großen Hits ihrer Karriere, aber irgendwie will der Funke nicht überspringen. Umso ausdruckstärker präsentiert sich dafür die lokale Gruppe Tricky. Sänger Adrian Thaws singt sich selbst in eine Art Trancezustand, in dem er dann eine Metamorphose durchläuft und zunächst freudig den verdutzten Kameramann umarmt, dann ritenartig Satzfetzen herunterbetet und sich dabei immer wieder das Mikrophon auf die Brust schlägt und zu guter Letzt tränenüberströmt auf die Knie sinkt. So ganz geheurer ist einem dieses Verhalten nicht und das Publikum wird mit gemischten Gefühlen in die Nacht entlassen.
Der vierte und letzte Tag startet wolkenverhangen aber musikalisch auf gutem Niveau. Mit Patent Ochsner gibt sich zur Mittagszeit eine einheimische Band die Ehre und bringt all diejenigen, die nicht gerade das teure Essen im Food-Zelt einnehmen, mit ihren berndeutschen Lumoenliedern zum lauten Mitsingen. Der Himmel beginnt sich zu erhellen als die Baddies auf der Zeltbühne eine Mischung aus frechen Punkrock und noch frecheren Kommentaren von Sänger Michael Webster zum Besten geben. Derart aufgedreht setzt sich der Großteil der Besucher in Bewegung wieder Richtung Hauptbühne. Eine halbe Stunde später als geplant, beginnen dort Travis ihre Show. Der charismatische Frontmann Fran Healy startet verhalten, aber nach ein paar Songs entscheidet er sich mit dem Publikum auf Tuchfühlung zu gehen. Mit Mikrofon bewaffnet, klettert er über die Absperrung, um in der Menge mit ein paar Damen zu tanzen und sein Lied zu Ende zu singen. Die Besucher sind begeistert und bei mittlerweile strahlendem Sonnenschein verweigert sich keiner mehr dem Versuch, den größten Pogo-Tanz der Welt zu begehen. Ironischerweise zum Megahit „Why does it always rain on me?“ verwandelt sich der Gurten in eine homogene Masse aus hüpfenden Menschen. Rekord geschafft!
Der Headliner des Abends, die als derzeit größte Rockband der Welt gefeierten Kings of Leon, liefern eine gewohnt auf den Punkt gebrachte Show ab und bedanken sich vielmals beim Schweizer Publikum für einen unvergesslichen Tourabschluß in Europa. Bunt und ausgeflippt wird es dann noch mal auf der Zeltbühne mit Wirbelwind Juliette Lewis. Etwas gehetzt, durch ihren verspäteten Flug, aber dennoch top gestylt im Glitzer-Body und mit Knieschonern, macht die sympathische Juliette dem verbliebenen Festivalgänger noch mal richtig Feuer unterm Hintern.
Schlamm und Matsch sind vergessen und, nicht zuletzt Dank einer ausgereiften Organisation, geht hier – mit rund 65.000 Besuchern und mehr als 50 Bands an vier Tagen – die bisher erfolgreichste Auflage des Gurtenfestivals zu Ende. Man darf gespannt sein, wie die Veranstalter beim 27. Mal (vom 15.-18. Juli 2010) das noch überbieten wollen.