Zwischen Rausch und Müßiggang: Irgendwo in der Mitte kann man die diesjährige Ausgabe vom Electronic Beats Festival in Köln ansiedeln. Dabei hat sich der Sponsor nicht lumpen lassen, das E-Werk in voller Fülle und Pracht mit Videoprojektionen und Lichtinstallationen zu versehen. Nicht nur für detailverliebte Menschen gibt es viel zu entdecken. Eigentlich ist es nur Marketing in eigener Sache, wobei das Telekommunikationsunternehmen mit seinem Branding dezenter als in den Vorjahren auftritt. Schließlich stehen die Acts im Spotlight, die für den Erfolg des Festivals maßgeblich entscheidend sind.
Wenn Reptile Youth und Dan Deacon sich die Klinke in die Hand geben, dann braucht man nicht allzu lange auf hitzige Temporauschzustände warten. Reptile Youth sind die dänischen Stimmungsgaranten, die auf keiner Party fehlen dürfen. Ohnehin scheinen diese in diesem Jahr gern gesehene Gäste für viele Festivals zu sein. Neben diesen hat man als Headliner den sehr erfolgreichen Engländer James Blake und weitere Szene-Größen gewinnen können.
Doors Open heißt es um 20:00 Uhr. Der nur 20 Minuten spätere Startschuss für ersten Act ist vom Timing äußert sportlich anzusehen, da die meisten Gäste zu diesem Zeitpunkt eher den herrlich hergerichteten Biergarten erkunden, als dem Eröffnungsgig zu folgen. Das Resultat ist, dass sich nur wenige eingefunden haben, um dem Wahlkölner Popnoname zu folgen. Sehr schade, da es keinesfalls an den Sangeskünsten von Jens-Uwe Beyer liegt. Mit Gitarre bewaffnet stellt dieser seine besten Werke aus drei Alben zur Schau. Die Stimmung ist zu diesem Zeitpunkt leider ein Mix aus Beklemmung und peinlicher Berührtheit.
Für den notwendigen dramaturgischen Verlauf ist ab dann gesorgt. Bereits um 21:15 Uhr stehen Reptile Youth auf der Bühne. Ihre Musik ist eine Mischung aus Rock, Pop und Electro, die dafür sorgt, dass die Tanzflächen zu diesem Zeitpunkt gefüllt sind. Mit gekonntem Körpereinsatz bespringt der Frontsänger Mads Damsgaard Kristiansen gemäß eines seiner Songtexte „surfing on endorphines“ etwas halsbrecherisch ziemlich jeden männlichen Besucher, der ihm in die Quere kommt. Es ist belustigend mit anzuschauen, wie sich große leere Flächen um ihn herum formieren, um nicht Gefahr zu laufen, umgerissen zu werden. Wem das schon unangenehm erscheint, sollte sich bei dem darauffolgen Act in Acht nehmen. Dan Deacon ist gemeinsam mit seinen Partnern an seiner Seite ein Inszenierungskünstler auf der Bühne. Er schafft es, seinen experimentellen Synth-Pop an den Mann zu bringen, indem er z.B. kleine Tanzbattles unter den Anwesenden ausfechten lässt. „Feel the rythm as good as you can“ – eine Botschaft, die Deacon noch unterstützend hinzufügt. Eine Stunde Rambazamba mit effektvoller Lightshow.
Und dann: James Blake betritt die Bühne. Eine große Besucherschaar hat sich versammelt, um einen Blick auf den jungen Ausnahmekünstler zu erhaschen. Besonders überraschend ist, dass sehr viele Titel von seinem neuen Album OVERGROWN angestimmt werden. „Retrograde“ ist die neu veröffentlichte Single, auf die alle nur gewartet haben. Kurz vor Abgang hat das Zappeln lassen aber ein Ende und besagte Single bildet als letzter Song den Abschluss seines Livegigs. Kurz, knapp und bündig bedankt sich Blake noch ganz höflich und geht. Sehr viele haben diesen Moment nicht mehr miterlebt, da sie zu dem Zeitpunkt bereits die Räumlichkeiten verlassen haben. Die Gründe hierfür sind unterschiedlicher Art – die Musik des Briten ist einzigartig, wenn auch eine einstündige Ausgabe das ein oder andere Gemüt gelangweilt stimmt. Für den einen ist seine Musik Faszination pur, für den anderen hingegen stark stimmungsabhängig. Den Londoner nach dem vorherigen musikalischen Schussfeuer zu positionieren, hat einige Besucher mit Sicherheit etwas ermüdet.
Die beiden kanadischen Elektro-Musiker Trust machen es sich zur Aufgabe, als letzter Act das Stimmungsbarometer erneut kräftig ansteigen zu lassen. Es verläuft positiv. Viel Lob erhalten die beiden nicht nur von der Presse im voraus, sondern auch unter allen Fans der elektronischen Musik, die mit viel Beifall ihren Auftritt würdigen.
Hinterlassen werden tanzhungrige, die sich dem Markenversprechen der Veranstalter – „Erleben was verbindet“ – sicher auch unter diesem Motto in den nächsten Jahren zueinander finden. Wahrhaftig eines der wenigen Musikfestivals, die die Rheinmetropole zu bieten hat. To be continued in 2014.
Fotos: Kirsten Otto
TRUST
JAMES BLAKE
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