We are rock’n’roll, so fuck that oder: Jetzt bangt er auch noch
Am Mittwochabend lehrte die kleine (und hiermit sei das Bild von kleiner Frau ganz groß zum ersten und letzten Mal bemüht) Kaki King harte Männer das Rocken und hinterließ doch eine melancholische Wärme im Herzen.
Das schlauchige dunkle Magnet war gut gefüllt mit Menschen aller Coleur. Was aber in den ersten Reihen als erstes auffiel, war die unglaubliche Körpergröße, die diese Menschen mitbrachten, doch dazu später mehr.
Zunächst bestritt eine äußerst sympathische Berlinerin das Vorprogramm für die Instrumentalistin aus Amerika. Albertina Sarges bahnte sich ganz schüchtern mit ihrer Gitarre und einer Flasche Bier den Weg durch die Menge und nahm auf einem Barhocker auf der kleinen Bühne platz. Ihre merkliche Aufgeregtheit versuchte sie hinter ihren melancholischen Songs gut zu verstecken und überspielte sie während der Pausen zwischen den Liedern mit knappen Songansagen und kleinen Schlückchen aus der Bierflasche. Zum Ende ihres Sets wurde sie dann aber zunehmend lockerer und zeigte sogar humoristisches Talent („Das nächste Lied heißt Horst“). Vollends die Sympathien flogen ihr dann bei ihrem Textaussetzer und dem dreimaligen Anlauf zu ihrem letzten Song Grauwind zu. So schüchtern wie sie gekommen war, verließ sie dann auch die Bühne. Durch die Menge ohne Gitarre, aber mit Bier.
Nach einer kurzen Pause war es dann Zeit für Kaki King. Ohne viel Tamtam und Bohei betrat sie das Rampenlicht und nahm hinter ihrem Arbeitsgerät platz. Begleitet wurde sie von Dan Brantigan an verschiedensten Blasinstrumenten und Matt Hankle an den Drums. Gleich vom ersten Moment entführte die Musik die Menge in die mystischen Musikwälder voller melancholischer Momente und ließ sie doch nie im Düsteren zurück. Durchbrochen wurde die Musik das eine oder andere Mal durch Kaki selbst, die in ihrer trockenen Art Kommentare zum Publikum abgab und sich nicht scheuchte, die großen Menschen aufzufordern, die kleinen Frauen nach vorne zu lassen bzw. emsig SMS-schreibende Zuschauer in den ersten Reihen zurecht zu weisen, dies doch im hinteren Bereich zu tun. Man muss diese Frau einfach liebgewinnen!
Erster musikalischer Höhepunkt war dann schon gleich Bone Chaos In The Castle, bei dem Kaki ihre faszinierenden Gitarrenklänge mit dem ihr eigenen Einsatz der Gitarre als Percussioninstrument paarte. Der Song gewann nochmals an Intensität und Druck als Matt Hankle mit seinen Drums einsetzte und ein einziger grandioser Klangteppich entstand, der selbst die harten Kerle um mich herum zum Bangen brachte. Ja, das war Rock’n’Roll! Eskapistischer, ausufernder und stellenweise wilder Rock’n’Roll. Und dann gab es wieder die ruhigen Momente, in denen dieses zerbrechliche Wesen mit der großen Gitarre vor dir steht, dir Life Being What It Is singt und du leise dahinträumst. Überraschend war, dass Pull Me Out Alive nur von Kaki selbst ohne ihre Band begleitet und somit dem Song eine neue Dimension verliehen wurde, er jedoch nicht ganz die Faszination und den Druck der Platte erreichte.
Trotzdem: Kaki King lässt ihre Musik atmen, lässt sie sich voll und ganz entfalten und das macht diese besondere Liveatmosphäre aus. Man ist förmlich gefangen in dieser Klangwelt und wird erst nach zwei Stunden wieder in die Realität entlassen und wundert sich fasst, dass einen die Musik nicht auch auf den Strassen von Berlin begleitet.