Eigentlich, wenn man nur zugrunde legt, dass das letzte Marteria-Album 2010 erschienen ist, könnte man denken, der Herr Laciny wäre etwas langsam oder gar faul.
Dass in der Zwischenzeit aber ein Marsimoto-Album, die den Mainstream endgültig hörig machende LILA WOLKEN-EP (zusammen mit Miss Platnum und Yasha), ein paar Marteria-Singles und natürlich einige Feature-Parts für andere Künstler (u.a. Casper, RAF 3.0, Chefket) veröffentlicht wurden, führt diese oberflächliche Vermutung ad absurdum. Zudem war der Herr live wirklich massiv am Start, hat so ganz nebenbei mehrfach die Welt bereist (u.a. gemeinsam mit Viva Con Agua, den Streetart-Künstlern von Los Piratoz und Maeckes von Die Orsons in Uganda, um dort das Trinkwasserprojekt zu unterstützen. Checkt mal im Netz die grandiose zweiteilige BLU UGA-Doku dazu) und war mitverantwortlich für einen Großteil der Lyrics auf dem letzten Die Toten Hosen-Album BALLAST DER REPUBLIK. Booom!
Ja, Untätigkeit kann man Marten wahrlich nicht unterstellen und mangelnde Kreativität sicherlich auch nicht, wenn man sich die erneut zusammen mit dem Produzententeam The Krauts entstandene Fortsetzung des Megasellers ZUM GLÜCK IN DIE ZUKUNFT zu Gemüte führt. Das schlicht ZUM GLÜCK IN DIE ZUKUNFT II betitelte neue Album ist das dritte unter dem Künstlernamen Marteria und dabei das mit Abstand reifste und erwachsenste. Marteria war ohnehin einer der Rap-Künstler, die stets mit die anspruchsvollsten, intelligentesten und witzigsten Texte abgeliefert hat. Spätestens seit der im November 2013 vorab erschienenen ersten Single „Bengalische Tiger“ kehrt er auch seine politische Meinung vermehrt nach außen. Der Song ist eine ziemliche Bombe und einer DER Kracher auf dem neuen Album, die daraus stammende Textzeile „Evolution wird mit R geschrieben“ deutlich mehr als nur ein gelungener sprachlicher Kniff. Das auf dem Album direkt davor platzierte „John Tra Volta“ schlägt in dieselbe Kerbe, geht das Thema aber nachdenklicher, weniger offensiv und vor allem musikalisch deutlich deeper und entspannter an. Überhaupt fällt auf, dass der Grundtenor der Platte sehr viel ruhiger, minimalistischer und relaxter daherkommt. Textlich ist ohnehin alles über jegliche Zweifel erhaben, egal ob thematisch eher sozial-/weltkritisch oder persönlich gelagert. Der jazzige musikalische Einschlag bleibt nahezu konstant erhalten, selbst das famose, poppig anmutende „Glasklar/Herzglüht“ mit den LILA WOLKEN-Mitstreitern Yasha und Miss Platnum ist letztlich doch eigentlich zu progressiv und sperrig arrangiert, als dass es die eher profanere Popwelt auf Anhieb verstehen und erfassen könnte.
Marteria ist ein ganz fantastisches Album gelungen, das neben weiteren Features von Julian Williams, Marsimoto, Campino (beim großartigen „Die Nacht ist mit mir“) und Christopher Rumble gerade zum Ausklang mit „Welt der Wunder“ (wundervoller Liebessong an diese Welt) und „Mein Rostock“ (seine Heimatstadt bekommt ein Denkmal gesetzt) nochmals unterstreicht, dass sämtliche Vorschusslorbeeren und Erwartungen berechtigt waren und Marten Laciny trotz diesen immer noch zu überraschen vermag – auch wenn die Party-Boom-Schiene des ersten Teils dieses Mal nur ganz marginal bedient wird. Oder vielleicht gerade deshalb!
Ohr D´Oeuvre: OMG, Die Nacht ist mit mir, Bengalische Tiger, Glasklar/Herzglüht, Welt der Wunder
VÖ: 31.01.2014; Four Music / Sony Music
Tracklist:
01. Intro
02. Kids (2 Finger an den Kopf)
03. OMG!
04. Die Nacht ist mit mir – feat. Campino
05. Alt & verstaubt
06. Pionier
07. John Tra Volta
08. Bengalische Tiger
09. Eintagsliebe – feat. Julian Williams
10. Gleich kommt Louis
11. Glasklar / Herzglüht – feat. Yasha & Miss Platnum
12. Auszeit Marteria – feat. Marsimoto & Christopher Rumble
13. Welt der Wunder
14. Mein Rostock
Gesamteindruck: 9,5/10
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