Im Februar ein Album mit dem Titel JULY herauszubringen, darf wohl als eher ungewöhnlich bis mutig angesehen werden, zumal der amerikanische Winter nicht annähernd so frühlingshaft anmutet wie der diesjährige über Deutschland. Und dennoch – schon mit den ersten zarten Tönen wird klar, dass die US-amerikanische Singer-Songwriterin Marissa Nadler keinen passenderen Titel für ihre neue Platte hätte wählen können. Wie schon auf den fünf vorangegangenen Alben stehen auch hier die akustische Gitarre und Nadlers feine, feminine Stimme im Vordergrund, die die phantasievollen Textzeilen umschmeicheln. Dazu gesellen sich elfenhaft anmutende Backgroundvocals und von Zeit zu Zeit Streicher, Flöten oder auch einmal eine fern klingende E-Gitarre. Die 32-Jährige verzichtet weitestgehend auf den Einsatz von Percussions, wodurch die vollendet schönen Melodien ganz in den Mittelpunkt ihrer Songs rücken. Dem Nadler-Stil treu bleibend, mutet JULY melancholisch und nachdenklich an. Die großen Themen sind Verlustschmerz, wie in „Drive“ oder „1923“, und die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, wie sie in „Desire“ oder „Firecrackers“ formuliert wird. Doch trotz der durchgehend ruhigen, verträumten Stimmung ist JULY auch nach mehrmaligem Hören alles andere als langweilig. Tatsächlich macht das Sprichwort „eins schöner als das andere“ hier plötzlich Sinn, denn es scheint kaum möglich, unter den elf Albumsongs ein absolutes Lieblingslied auszumachen.
Bei allen Versuchen, Vergleiche außen vor zu lassen – einen muss sich Nadler abschließend aber doch gefallen lassen: Sowohl der Albumtitel als auch die musikalischen Arrangements erinnern an vielen Stellen an Lana Del Reys „Summertime Sadness“. Dies darf aber nur in bester Weise verstanden werden, schließlich verkaufte sich der Hit Del Reys nicht grundlos über vier Millionen Male rund um den Globus. Etwas, dass man nach diesem tollen Album auch Marissa Nadler nur wünschen kann. Denn wer Lana Del Rey mag, wird Marissa Nadlers JULY lieben!
Ohr d’oeuvre: Drive / 1923 / Firecrackers / Desire / Anyone Else
VÖ: 07.02.2014; Pias Cooperative / Bella Union (rough trade)
Tracklist:
01. Drive
02. 1923
03. Firecrackers
04. We Are Coming Back
05. Dead City Emily
06. Was It A Dream
07. I´ve Got Your Name
08. Desire
09. Anyone Else
10. Holiday In
11. Nothing In My Heart
Gesamteindruck: 9/10
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