Retro Rock. Wer kann´s wirklich noch hören? Die Blase an wie Unkraut aus dem Boden schießenden Bands, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, auf den momentan ach so erfolgreichen Retro-Zug aufzuspringen, ist riesig und platzt hoffentlich bald, um sich gesundzuschrumpfen, wie bei jedem irgendwann nervigen Trend. Die richtig guten Bands a la Graveyard, Orchid oder Kadavar werden ohnehin überleben, der Rest soll schauen wo er bleibt.
Was das mit Birth Of Joy zu tun hat? Nun, auf den ersten Blick sehr viel, denn oberflächlich betrachtet klingt PRISONER schon auch nach einer sich dem Retro-Wahn anbiedernden Chose. Doch wie so oft sind es der zweite und dritte Blick, mit denen man sich ein genaueres und weniger plakatives Bild machen kann. Zunächst einmal ist PRISONER mitnichten ein Debüt, sondern bereits das dritte Album der holländischen Rockband. Hinzu kommt, dass Birth Of Joy zwar zu 99,9% musikalisch die Vergangenheit aufleben lassen, aber sich dennoch irgendwie gewaltig vom Retro-Einerlei abheben.
Die Jungs selbst bezeichnen ihre Mucke als „Sixties On Steroids“ oder „Psychedelic Organ R´n´R“ und mit diesen Beschreibungen liegt das Trio goldrichtig. Was die tatsächlichen Einflüsse angeht, lassen sich Birth Of Joy auch gar nicht wirklich in einem Genre festnageln. Und das ist auch verdammtnochmal gut so, denn wenn Led Zeppelin auf Oasis, die Beatles auf Queens Of The Stone Age, MC5 auf Big Elf und Saigon Kick auf die übermächtigen The Doors treffen, umreißt dies PRISONER vortrefflich. Jeder Song versprüht seine eigene Magie. Ob es nun der mit einem tollen Chorus ausgestattete Opener “The Sound“ mit seinem Led Zep- meets-Jane´s Addiction-meets-Beatles-Charme, oder das direkt folgende, noch mehr von der Orgel getriebene, von famosen Gesangslinien geprägte, flottere, funkigere und irgendwie mystische “How It Goes“ ist , das überragende, 7-minütig ausladende, spannungsgeladene und entrückte Doors-meets-ein-wenig-Danzig-und-Brit-Pop-Juwel “Three Day Road“, das mit einem monströsen Riff, großen Orgel-FX, unverschämtem Groove und unwiderstehlichem Chorus auftrumpfende “Grow“ oder eine der deutlichen The Doors-Verneigungen “Longtime Boogie“ (hat was von “Roadhouse Blues“), “Mad Men“ und “Holding On“ (zwischen “Riders On The Storm“ und “Strange Days“) – hier wird von vorne bis hinten mitreißende Qualität geboten, die man einfach unweigerlich SOFORT live sehen möchte, denn da explodiert die Band vermutlich komplett. Punkt. Und wenn BIRTH OF JOY zum Abschluss bei “Clean Out“ plötzlich eher an Muse und ein wenig an QOTSA erinnern, rundet dies das wunderbare Bild von PRISONER umso perfekter ab.
Herrje, Holland hat eine höchst gesunde und geile Underground-Rockszene, wofür nach den brillanten John Coffey nun auch Birth Of Joy ein mehr als deutliches Zeichen setzen!
Ohr d’Oeuvre: Three Day Road, Grow, How It Goes, Clean Cut, Holding On
VÖ: 07.03.2014 Long Branch Records/SPV
Tracklist:
01. The Sound
02. How it Goes
03. Keep Your Eyes Shut
04. Three Day Road
05. Grow
06. Rock & Roll Show
07. Longtime Boogie
08. Mad Men
09. Holding On
10. Prisoner
11. Clean Cut
Gesamteindruck: 9/10
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