Wenn eine Presseinfo mit den Worten beginnt: „Ich glaube, auf diesem Album sind kaum potentielle Hit-Singles“, lässt das nicht nur den unerfahrenen Wald-und-Wiesen-Rezensenten aufhorchen. Keine Hit-Singles? Und das, wo das selbstbetitelte Debüt des dänischen Duos vor rund zweieinhalb Jahren nahezu eine Singalong-Hymne nach der nächsten und jede Menge Party-Garanten bot?
Schon die Single „JJ“ bestätigte diesen Eindruck: Zwischen verzerrten Gitarren ist der überschaubar gebaute Refrain nur entfernt zum Mitwippen geeignet. „Unser Debüt war sehr poppig, obwohl wir wussten, dass die Leute den Punk-Spirit unserer Live-Shows feierten. In den letzten Monaten hörten wir oft, dass wir das Zeug für einen amtlichen Radio-Hit hätten, aber wir wollten diesmal nur die Songs aufnehmen, für die wir auch wirklich brennen,“ erklären Mads Damsgaard Kristiansen und Esben Valløen die geänderte Ausrichtung ihres Zweitwerks. Also Uhr zurück und alles auf Null? Ganz so schlimm ist es nicht. RIVERS THAT RUN FOR A SEA THAT IS GONE (ein nahezu unaussprechlicher Albumname) zeigt zwar eine deutliche musikalische Um- und Weiterentwicklung – nicht aber eine Abkehr von eingängigen Melodien oder knackigen Rhythmen.
Während sich der Opener „Above“ erst langsam aufbaut, zeigt schon der zweite Song „Colours“, dass eine rockigere Attitüde gut mit den Stärken der Kopenhagener einher gehen kann. Noch deutlicher wird die neue Vorgehensweise beimTitelsong: Die Gitarren sind hier noch etwas lauter, die Drums treiben unerbittlich von hinten, die Synthesizer spielen Unheil verkündend auf und nur selten sorgt die hallunterlegte Hookline für ein wenig Entspannung. Wahrlich kein Radiohit, dafür ein krachendes Groovemonster.
Diese Idee zieht sich auch durch den Rest des Albums: Wenige Songs verleiten mit ihrem Synth-Rock von der ersten Sekunde an zum mitfeiern, bauen sich aber immer wieder dermaßen unwiderstehlich auf, dass die Wirkung letztlich noch hypnotischer wird, als es jeglicher Radio-Mitsing-Schalala bewirken könnte. Ausrutscher wie das schunkeltaugliche „Where You End I Begin“ sind dabei zu verschmerzen, da sie gleichzeitig durch schön groovende 80s-Britrock-Reminiszenzen wie „We’re All In Here“ mehr als adäquat ausgeglichen werden. Nur dann, wenn sich RIVERS THAT RUN FOR A SEA THAT IS GONE in Richtung Synth-Rock bewegt („Two Hearts“, „All Of The Noise“) und hauptsächlich Synthesizer die melodiöse Richtung bestimmen, blitzen die alten, poppigen, Reptile Youth noch einmal auf – fügen sich aber nahtlos ein.
„Diseased By Desire“ beschließt letztlich ein nahezu rundum gelungenes Gesamtwerk stilecht: Mit einem schön rockenden 7:43-Epos samt unwiderstehlichem Refrain. Gut gemacht, Jungs.
Ohr d’oeuvre: Colours / Rivers That Run For A Sea That Is Gone / We’re All In Here / Two Hearts / Diseased By Desire
VÖ: 07.03.2014; Internet Rec. 2014/AWAL
Tracklist:
01. Above
02. Colours
03. Rivers That Run For A Sea That Is Gone
04. Structures
05. Where You End I Begin
06. We’re All In Here
07. Two Hearts
08. JJ
09. All Of The Noise
10. Diseased By Desire
Gesamteindruck: 8,5/10
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