Bevor You Me At Six am gleichen Abend in der Kantine in Köln vor ausverkauftem Haus spielen, haben wir uns mit Gitarrist Chris Miller zusammengesetzt, um ihm ein paar Fragen zu stellen. Es geht um das Leben innerhalb und außerhalb einer Band, die langsam ihren Sound findet. Dabei schwebt eine Frage über allem: Erwachsen oder entwachsen? Miller erklärt, was sich verändert hat mit der Veröffentlichung des neuen Albums CAVALIER YOUTH.
jmc: Seid ihr erwachsen geworden oder einfach nur älter?
Chris: Das ist eine gute Frage! Ich denke, dass wir auf jeden Fall bodenständiger geworden sind. Natürlich sind wir auch älter und sensibler geworden, aber grundsätzlich ist dieses Album einfach eine wirklich schöne Entwicklung in Bezug auf das Letzte und ich glaube, dass wir einen Sound gefunden haben, bei dem wir auch bleiben.
jmc: Wie unterscheidet sich das jetzige Album denn von den Alten?
Chris: Wie ich schon sagte, denke ich, dass wir jetzt unseren Sound gefunden haben. Wir sind glücklich mit dem Album als Ganzes. Bei den letzten Alben waren wir auf bestimmte Songs sehr stolz, aber die anderen waren einfach nur da, um das Album aufzufüllen. Die Stile waren einfach sehr unterschiedlich innerhalb eines Albums und jetzt haben wir sie innerhalb der Songs gut gemischt. Wir sind sehr glücklich, dass wir das endlich geschafft haben.
jmc: Wurde euch schon vorgeworfen, dass ihr jetzt zum Mainstream überwandert?
Chris: Nein, nicht wirklich. Wir haben einige Veröffentlichungen bezüglich unseres Albums gelesen und da ging es nur darum, dass unser Sound jetzt größer klingt und somit wie geschaffen für größere Locations ist. Aber ehrlich gesagt, ist es auch egal. Wir kümmern uns um nicht viel mehr als dass wir glücklich sind. Wir schreiben die Songs für uns selbst und das war schon immer so. So wird es auch bleiben.
jmc: Warum habt ihr „Lived A Lie“ als erste Single ausgewählt?
Chris: Wir fanden, dass der Song ein perfekter Schritt nach vorne ist und eine Brücke schlägt vom alten zum neuen Album. Er zeigt sehr schön einige unserer neuen Seiten, aber es ist auch nicht zu entfernt von dem, was wir in der Vergangenheit gemacht haben. Deswegen war es in unseren Augen die beste Wahl.
jmc: Und wie haben die Fans auf die neuen Songs reagiert?
Chris: Sehr, sehr gut. Es ist immer lustig, neue Songs zu spielen, weil die meisten im Publikum nicht wissen, wie sie darauf reagieren sollen. Wir spielen auf dieser Tour viele neue Songs und es gibt natürlich einen Unterschied zu den älteren Sachen, von denen die Leute die Texte kennen und abgehen. Es ist aber nicht seltsam neue Songs zu spielen, sondern schön, weil man sich zusammen mit dem Publikum daran gewöhnen kann.
jmc: Was war das Beste oder das Schlimmste daran, mit 30 Seconds To Mars zu touren?
Chris: Das Beste war natürlich, dass die Locations so groß waren und wir die Chance bekamen, vor so großen Mengen zu spielen. Sonst bekommt man die nicht so leicht. Ich meine, wir kommen jetzt seit fünf oder sechs Jahren nach Deutschland und wir haben es gerade mal geschafft Locations dieser Größe auszuverkaufen. Das Schlimmste war die Distanz zu 30 Seconds To Mars. Sie waren sehr beschäftigt mit TV Terminen und so weiter. Hier können wir mit der Vorband abhängen, aber das war mit ihnen nicht wirklich möglich.
jmc: Viele eurer Fans konnten sich die Ticket gar nicht leisten, oder?
Chris: Ja, leider. Als Vorband hatten wir natürlich auch keinen Einfluss auf die Preise, aber die Leute, die auf den Konzerten waren, waren toll. Außerdem ist es super, vor einem Publikum zu spielen, dass deine Band noch nicht kennt. So gewinnt man neue Fans und kann von vielen Leuten gehört werden. Für uns war es einfach perfekt, eine Plattform für das zu bekommen, was wir lieben, und es Menschen vorzustellen, die uns nicht kennen.
jmc: Das hat wohl funktioniert. Immerhin musste einige eurer Konzerte auf dieser Tour in größere Locations verlegt werden.
Chris: Ja, es hat toll funktioniert. In letzter Zeit war es schwierig, in Deutschland auf Tour zu gehen, weil wir so beschäftigt waren, aber jetzt läuft es wieder und wir hoffen noch vor Ende des Jahres erneut wiederzukommen.
jmc: Entstehen die besten Songs aus den schlimmsten Gefühlen?
Chris: Das ist eine gute Frage! Songwriting wird sicher davon beeinflusst in welcher Stimmung man sich gerade befindet. Ich kann nicht viel dazu sagen, weil ich keine Texte schreiben, aber für Josh kommt es bestimmt darauf an. Ich könnte die fröhlichsten Songs der Welt schreiben und er würde sie anders schreiben, weil er sich eben anders fühlt. Man kann an unseren alten Alben schön sehen an welchem Punkt wir zu der Zeit standen. Zum Beispiel haben wir bei TAKE OFF YOUR COLOURS schnelle Songs geschrieben mit vielen Riffs. Wir waren jung, verrückt und glücklich. Und bei SINNERS NEVER SLEEP waren wir an einem ganz anderen Punkt im Leben. Es ist viel düsterer und mit stimmungsvollen Songs gespickt. Also reflektieren sich unsere Gefühle auf jeden Fall in den Songs.
jmc: Wie hat sich dein Leben verändert, seit du in dieser Band spielst?
Chris: Extrem! Als wir angefangen haben, waren wir alle gerade mal 16 und waren noch in der Schule. Wir haben You Me At Six als Hobby und aus purem Spaß angefangen. Plötzlich kamen viele Leute zu unseren Shows und unser Name hat sich ohne unser Zutun verbreitet. Es hat sich vom Hobby zu einer Lebensart entwickelt. Wenn man in einer Band ist, kann man das nicht halbherzig durchziehen. Man muss es zu seinem Leben machen, sonst funktioniert es nicht. Also sind wir sechs bis sieben Monate auf Tour gegangen, waren kontinuierlich unterwegs und haben unsere Zeit mit eben solchen Dingen verbracht. Ab irgendwann bestimmt es dein Leben, aber es ist großartig. Ich würde nichts ändern wollen.
jmc: Ist es schwierig, nach einer langen Tour nach Hause zu kommen?
Chris: Natürlich bin ich immer aufgeregt nach Hause zu kommen, weil ich dann meine Freundin und meine Familie wiedersehe, aber alle deine Freunde haben normale Jobs und nach einige Tagen sitzt du nur noch zu Hause und denkst dir: „Und jetzt?“. Aber das ist auch okay so. Nach zwei bis drei Monaten auf Tour ist man auch bereit wieder nach Hause zu gehen und freut sich darauf.
jmc: Und was machst du in deiner Freizeit, wenn du nicht gerade auf Tour bist?
Chris: Ich schreibe Songs, spiele Xbox, gehe aus, ich liebe mein Skateboard, also skate ich auch viel oder fahre einfach mit meinem Auto rum. Einfach ein bisschen Zeit verplempern. Das muss auch mal sein. Wenn man den ganzen Stress von der Tour loswerden will, ist es schön nur ein bisschen rumzusitzen und nichts zu tun.
jmc: Chris Miller, wir danken für das Gespräch!
Interview: Christina Berkele; Foto: Pressefoto
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