Die Berliner Band Vember steht für geradlinigen Deutschpop mit authentischen Texten. Im November brachte das Quintett sein zweites Album 63 STUFEN heraus. Wir trafen Sänger Vincent Kyas und Keyboarderin Leonie Czycykowski nach der Show im Kölner Blue Shell und sprachen mit ihnen über Sarah Kuttner, Selbstmitleid und Kompromisse in Tonstudios.
jmc: Woher kommt der Name Vember?
Vincent: Ich habe irgendwann 2007 eine Sendung mit Sarah Kuttner gesehen. Thema damals war „November“ und Sarah stellte die Frage, „Fuck, wieso heißt dieser Monat eigentlich November?“. Daraufhin dachten wir: „Stimmt, eigentlich! Wir streichen das „No“ weg und nennen uns Yesvember!“ Damals stand bei uns noch stärker als heute die Melancholie im Vordergrund . Also traurig sein, Selbstmitleid empfinden. Für uns als Musiker ist Melancholie was schönes. Das sollte sich auch im Namen widerspiegeln, deswegen haben wir letztendlich das No weggelassen und Vember draus gemacht.
jmc: Wie habt ihr euch gefunden?
Vincent: Leoni und Justine (Gitarrist) haben wir übers Internet kennengelernt, Johannes (Schlagzeuger) stand in Kontakt mit einer befreundeten Band.
jmc: Was macht ihr sonst, neben der Musik? Bei Dir Leonie sind wir ein wenig informiert. Du promotest ein Orchester, oder?
Leonie: Das stimmt, ich habe bis vor kurzem im Management eines Orchesters gearbeitet. Zwei von uns studieren noch, die anderen haben feste Jobs.
Vincent: Der Einzige, der von der Musik lebt, ist Justine, der als Gitarrenlehrer arbeitet. Ich bin nebenbei Markenberater bei einer Designeragentur. Verkaufsstratege.
jmc: Produziert hat euch Simon Frontzek von Tomte. Wie kam der Kontakt zustande?
Vincent: Wir hatten uns ein bisschen Geld erspielt, ein Management, das hinter uns stand und wir wollten eine neue Platte machen. Also überlegten wir, welche Produzenten in Frage kämen, unter denen wir uns musikalisch weiterentwickeln wollen. Die erste Idee waren Tobias Sieberts von Klez.e und seine Partnerin Anette, die ein Studio in Berlin betreiben. Unter anderem hat Thees Uhlmann dort seine letzte Platte produziert. Also schickten wir unser erstes Album und ein paar ganz roughe Demos da hin. Anette und Tobias haben sich die Sachen gemeinsam mit Simon, von dem wir nichts wussten, angehört. Simon wollte uns dann überraschenderweise produzieren, was mich enorm gefreut hat. Ich bin unglaublich großer Tomte-Fan. Es geht für mich nichts über diese Band.
Leonie: Ich bin zwar kein ausgewiesener Tomte-Fan, aber nach der Zusammenarbeit mit Simon muss ich sagen: Es war das Beste was uns passieren konnte. Und es hat wirklich Spaß gemacht!
jmc: Wie komponiert ihr, wer schreibt die Texte, wer die Musik?
Leonie: Was die Musik betrifft ist es völlig unterschiedlich. Meistens ist es so, dass irgendwer eine Melodie oder eine Harmoniefolge auf den Tisch wirft und wir probieren dann ein bisschen darauf rum, bis man sich grob gefunden hat. Wir arbeiten also alle gemeinsam an der Musik.
Vincent: Die Texte kommen komplett von mir. Das mit der Musik stimmt. Am Anfang steht meistens eine Akkordreihenfolge, aus der wir die Songs entwickeln. Da geht es manchmal heiß her, wir schreien uns auch an. Es ist so, als würde man ein Stück Fleisch vor ein Rudel Wölfe werfen und dann reissen sich alle darum.
jmc: Kreative Prozesse müssen ja fast so sein, oder?
Vincent: Absolut. Man kann sich danach allerdings noch in die Augen gucken. Die Grundlage bei uns ist reine Freundschaft.
Leonie: Zumal wir im Nachhinein eigentlich immer alle mit dem Ergebnis sehr zufrieden sind
Vincent: Eine weiter komische Erfahrung: war folgende: Wir sind mit Songs zu Simon gegangen, von denen wir dachten : „Super, produzieren wir von A-Z genau so“. Dann kam Simon und meinte „Okay. Ich schlage vor, wir machen das hier und da anders. Was haltet ihr davon?“ Er hat uns bei vielen Entscheidungen unterstützt. Auch wenn ein Kompromiss zwischen zwei kreativen Ideen gemacht werden musste, hat er uns gelenkt und geholfen. Und am Ende hat er uns gezeigt, dass man nicht mit einem fertigen Song ins Studio geht, sondern dass 50 Prozent dort entstehen.
jmc: Bleiben wir noch kurz beim Entstehungsprozess im Studio. Gibt es so etwas wie Rituale? Trifft man sich immer zur selben Zeit, frühstückt man zusammen, wie sieht das aus?
Vincent: Ich kann jetzt nur von Simon sprechen. Man trifft sich, arbeitet bis ungefähr 22 Uhr, dann verabredet man sich für den nächsten Tag, meistens für zehn oder elf. Dann wird erstmal eine Stunde lang nur Kaffee getrunken und geredet. So gegen zwölf wird dann irgendwann das erste Mikrofon aufgebaut und losgelegt. Im Vergleich zu dem, was wir aus unseren Jobs gewohnt sind, ist es total entspannt.
jmc: Fiel euch das Umstellen auf diese ruhigere Arbeitsweise schwer?
Leonie: Anfangs war das für mich so: Jetzt stehe ich auf, jetzt bin ich wach, jetzt bin ich fit, jetzt gehe ich ins Studio und spiele das Ding runter. Und dann kommt man dort voller Tatendrang an, hat erstmal Pause und fällt in ein “Loch“. Auf der anderen Seite haben wir uns in dieser Zeit noch einmal Sachen vom Vortag angehört , konnten alles sacken lassen und uns über die Musik unterhalten. Es hat ein bisschen gedauert, aber am Ende haben wir uns gut darauf eingestellt.
jmc: Auf der Platte sind zwischenmenschliche Gefühle ein großes Thema. In Köln wird gerade gestreikt. Wär es denkbar, dass Vember auch einmal ein politisches Stück aufnehmen?
Vincent: Hm. Wir haben ja mit „Wir geben nicht nach“ eine Nummer auf 63 STUFEN, die schon so ein bisschen in die politische Richtung geht. Der Song nimmt das Politische aber eher auf die Schippe. Wenn man es so will, geht auch das Thema Überlastung/Überforderung inhaltlich über eine reine Reduzierung auf „das Zwischenmenschliche“ hinaus. Sich überlastet fühlen, mit der Rolle, die einem zugeordnet ist: Um viel mehr als das wird es aber glaube ich nicht gehen. Alles andere passt nicht zu uns. Wenn man einen eindeutig politischen Song macht, müssen alle in der Band dahinter stehen. Dazu sind wir glaube ich, was das Politische angeht, zu unterschiedlich.
jmc: Ihr habt jetzt zwei Alben draußen und konntet sicher schon einige Erfahrung sammeln. Was ratet ihr einer jungen Band, die sich gefunden hat und starten will?
Vincent: Sehr gute Demos produzieren hilft. Investieren. Wir haben am Anfang mit einer Schule für Tontechnik kooperiert. Deren Studenten haben uns aufgenommen. Das Wichtigste ist, dass man keine Gig-Gelegenheit ablehnt. Du wirst am Anfang sehr viel umsonst spielen.
jmc: Any last words?
Vincent: Hört Vember!
jmc: Leonie, Vincent, wir danken für das Gespräch!
Interview: Jan Rombout Foto: Band/Facebook
Mehr zu Vember