Drei dürre Jungs, die Haare zerzaust, die Hemden stets ein bisschen zu groß und alle ein wenig blass um die Nase. The Wytches erinnern den ein oder anderen an Nirvana. Jung, eigensinnig, experimentierfreudig. Doch das Trio aus Brighton ist keineswegs eine Kopie alter Grunge-Legenden. Mit ANNABEL DREAM READER zeigen sie auf ihre Weise, dass Retro-Sounds immer noch irgendwie cool sind.
Rauchend mit Sombrero auf dem Kopf oder in merkwürdigen Verkleidungen ein Konzert spielend, ohne dass ein einziger Zuschauer dabei anwesend ist – der Sinn der Musikvideos von The Wytches erschließt sich dem hörenden Zuschauer nicht sofort. Das Arrangement wirkt chaotisch, verstörend und die Lo-Fi-Produktion unterstützt den Grunge-Charakter. Es herrscht eine geradezu magische Atmosphäre: Das Trio macht sich nichts aus Offensichtlichkeit. Kristian Bell (vocals, guitar), Daniel Rumsey (bass) und Gianni Honey (drums) mischen psychedelische Sounds mit Elementen des Garage-Rock und der Surf-Musik aus den frühen 60er Jahren – zwar keine musikalische Neuheit, die uns die Jungs hier bieten, jedoch macht sie das nicht weniger interessant. ANNABEL DREAM READER besticht durch Intensität. Der Hörer verliert sich in den dumpfen Klängen des Schlagzeugs, die Gitarren bringen verzerrte, rauschende Töne hervor und inmitten dieses musikalischen Strudels ertönt der Gesang von Kristian Bell. Mal hebt er seine Stimme und schreit sich die Seele aus dem Leib („Digsaw“) und mal senkt er sie wieder, um in einen wehleidig ruhigen Gesang zu verfallen („Summer Again“). Oder aber er macht beides: „Wide at Midnight“ beginnt monoton und gedämpft, bevor Bell dann richtig loslegt und seine Stimme aufs Äußerste strapaziert.
Vorrangiges Ziel des Trios: Gute Songs zu produzieren. Was sie mit ihrer Musik nicht möchten: Große Statements setzen. Wer sich auf The Wytches einlässt, kann also viel Spaß erwarten und wird auf erfrischend kreative Musiker stoßen. Zuletzt konnten sich davon Fans der Blood Red Shoes überzeugen lassen, bei denen die Jungs als Vorband aufgetreten sind. Aber bevor diejenigen aufschreien, die nicht dabei waren: Im September geben die Jungs ihr einziges Deutschland-Konzert in Köln – diesen Geheimtipp sollte man sich nicht entgehen lassen!
Ohr d’Oeuvre: Wide at Mitnight / Part Time Model / Crying Clown
VÖ: 22.08.2014; Heavenly Recordings
Tracklist:
01. Digsaw
02. Wide at Midnight
03. Gravedweller
04. Fragile Male
05. Burn Out The Bruise
06. Wire Frame Mattress
07. Beehive Queen
08. Weights and Ties
09. Part Time Model
10. Summer Again
11. Robe For Juda
12. Crying Clown
13. Track 13
Gesamteindruck: 8/10