Als vor knapp drei Jahren HERITAGE von Opeth erschien, staunten viele Fans nicht schlecht. Weit hatte man sich von den Death-Metal-Wurzeln entfernt. Nicht nur die Growls waren gänzlich Åkerfeldts Klargesang gewichen, auch der Gesamtsound änderte sich konsequent hin zum Progressive Rock, weg vom dunklen Grundtenor vorheriger Werke.
Und plötzlich standen sich zwei Lager gegenüber: konservative und progressive Fans. Der hiesige Autor hingegen hatte aus einem ganz anderen Grund Probleme mit der musikalischen Neuausrichtung, denn HERITAGE war eine durch und durch verpasste Chance, vergleichbar mit vielen Retro-Prog-Bands unserer Zeit. Immer wieder funkelten unter einer trüben Oberfläche großartige Ideen durch, doch diese Ideen wehrten nie lang, wurden meist bereits im Keim erstickt. Eine Querflöte gab sich nicht hin, Melodien waren nur konfus, aber wenig einprägsam (wie man es richtig macht zeigte z.B. Frank Zappa), der Sound wirkte darüber hinaus viel zu steril. Andere Retro-Bands machten ihre Sache einfach besser, man denke z.B. an Blood Ceremony.
Nun, 2014, erscheint mit PALE COMMUNION ein neues Album im Sound der 1970er Jahre. Konservative Fans, die an eine zeitweilige Verirrung a la Damnation glaubten, wurden enttäuscht, Freunde progressiver Klänge hingegen mehr als positiv überrascht. Åkerfeldts Kompositionen hatten sich verändert. Ideen wurden konsequent umgesetzt, die Melodien sind nun komplex und doch einprägsam, das musikalische Spektrum hat sich erweitert. Neben King Crimson, Pink Floyd, Gentle Giant finden sich nun auch die mehrstimmigen Harmoniegesänge von Crosby, Stills Nash & Young oder der Signaturesound der Italoprogger von Goblin, die vor allem für ihre großartigen Soundtracks zu den Filmen Dario Argentos (Suspiria, Profondo Rosso) Bekanntheit erlangten. Ohne zu zögern gibt man sich nun auch den Melodien hin, überambitionierte Komplexitäten weichen einem gut durchdachten Gesamtbild. Man höre sich nur den Melodienreichtum von „Moon Above, Sun Below“ an. Komplexe Rhythmen (auf diesem Album, dank neuem Drummer, wirklich unglaublich filigran), mal führt die Hammondorgel, deren Sound etwas lieblos eingestellt wurde, mal eine akustische Gitarre. Als musikalischer Klebstoff kommt Åkerfeldts großartiger Gesang zum Einsatz. Oder „River“: Nach einem wirklich schönen Gitarrensolo folgt eine Gesangspassage, die nur von der Hammondorgel begleitet wird um später auf eine akustische Gitarre zu treffen. Eines der Highlights des Albums. Eine komplexe und doch melodiöse Hardrockpassage (Gitarre, Mellotron, Bass, großartiges Schlagzeug) steigert sich zu einem unfassbar dichten Ganzen, ehe der Gesang einsetzt, wieder einmal von der Hammondorgel begleitet, und Åkerfeldt nach einem kleinen Gentle-Giant-Teil (06:49) und – im Rahmen seiner neu abgesteckten Prog-Möglichkeiten – King Crimsons Starless-Coda zitierend, den Kraken befreit.
Der großartige Abschluss des Albums bildet „Faith in Others“. Von einem Orchester begleitet spielen Opeth auf der Klaviatur der Gefühle (teilweise übrigens wirklich mit Hilfe eines Pianos) und beenden PALE COMMUNION, das wohl beste Album ihres neuen Stils. Nichts an dieser Platte wirkt deplatziert oder unausgearbeitet, alles fließt ineinander und bildet eine faszinierende Einheit.Wer – wie der hiesige Autor – mit den Alben von Porcupine Tree oder Steven Wilson so seine Probleme hat, sollte unbedingt bei PALE COMMUNION ein Ohr riskieren. Der ehemalige Schüler hat seinen Meister übertrumpft.
Ohr D´Oeuvre: Moon Above, Sun Below / Faith In Others / Goblin
VÖ: 22.08.2014; Roadrunner Records (Warner)
Tracklist:
01. Eternal Rains Will Come
02. Cusp Of Eternity
03. Moon Above, Sun Below
04. Elysian Woes
05. Goblin
06. River
07. Voice Of Treason
08. Fait In Others
Gesamteindruck: 9/10