Lagwagon kommen nach neun Jahren mit einem neuen Album um die Ecke und der geneigte Leser/ Hörer/ Rezensent fragt sich: „Braucht das wirklich noch jemand?“
Zugegeben, als es darum ging, wer das neue Lagwagon Album bespricht, war die allgemeine Stimmung eher von Zurückhaltung geprägt. Verständlich, wenn man bedenkt, dass die goldenen Jahre des Genres 20 Jahre zurückliegen und auch Lagwagon bereits Ende der Neunziger vom Abebben der Melodycore-Hysterie erfasst wurden. Da man Jugendhelden aber nicht so einfach fallen lässt und die Neugierde dann doch meist über die Skepsis siegt, fiel die Entscheidung, sich mit HANG zu beschäftigen, dem neuen Album der Kalifornier, am Ende gar nicht so schwer.
Die freudige Erwartungshaltung auf klassisches 4/4-Geboller mit Joey Capes „Knödelstimme“ wird direkt zu Beginn von HANG enttäuscht. Die Platte startet ruhig und nachdenklich mit „Burden of Proof“, was stark an Capes Singer/Songwriter-Ausflüge erinnert. Im Anschluss bekommt man mit „Reign“ aber das, was man musikalisch von Lagwagon erwartet. Nichtsdestotrotz bleibt die Grundstimmung auf HANG eher düster und nachdenklich. Zu viele Schicksalsschläge hat Joey Cape in den letzten Jahren erfahren, als dass dies spurlos an ihm und der Band vorbeigegangen wäre. So verarbeitet Cape in „One More Song“ den Tod seines besten Freundes Tony Sly, indem er die Hookline von „Liver Let Die“ – einem der letzten Songs von Sly – weiterführt, was den Hörer mit Gänsehaut und Kloß im Hals zurücklässt.
So schlimm die Schicksalsschläge für die Band und vor allem für Cape gewesen sind, man hat auf HANG das Gefühl, die Band ist näher zusammengerückt und musikalisch gereift. Es werden einem Riffs um die Ohren gehauen, die dermaßen trocken sind, dass manche Metalband vor Neid erblasst. Unterstützt wird dieses Riff-Gewitter durch die dicke Produktion, für die sich niemand geringeres als Bill Stevenson von den Descendents verantwortlich zeigt.
Alles in allem eine Platte, nach deren Hören man zu der Einsicht kommt, dass Lagwagon den Melodycore mit einem Arschtritt aus dem Tal der Bedeutungslosigkeit befördert und welche die Eingangsfrage mit einem klaren „Ja, braucht man!“ beantwortet.
Ohr d’oeuvre: Obsolete Absolute / The Cog in the Machine / One More Song
VÖ: 31.10.2014; Fat Wreck
Tracklist:
01. Burden of Proof
02. Reign
03. Made of Broken Parts
04. The Cog in the Machine
05. Poison in the Well
06. Obsolete Absolute
07. Western Settlements
08. Burning Out in Style
09. One More Song
10. Drag
11. You Know Me
12. In Your Wake
Gesamteindruck: 7,5/10
Welche Songs haben Lagwagon beeinflusst? Hört euch hier die Spotify-Playlist von Bassist Lil Joe an:
Lil Joe from Lagwagon picks influential bass tracks