Bekommt man aus dem Umkreis des Münsteraner Qualitätslabel Uncle M Musikempfehlungen, sollte man sich das Empfohlene tunlichst näher zu Gemüte führen. So auch das vorliegende neue Album von Stumfol.
Vom ursprünglichen Plan, PARETO beiläufig laufen zu lassen, bleibt nach grob geschätzten drei Sekunden nicht viel übrig. Zu eindringlich ist die Stimme, die einem aus den Boxen entgegenschallt. Dazu die leicht rumpelige Gitarre und die auf das Wesentliche reduzierte Produktion – eine Kombination, bei der einem sofort Bob Dylan als Referenz in den Kopf steigt. Man kann ihn sich förmlich vorstellen, diesen bärtigen Typen aus der amerikanischen Provinz namens Stumfol. So ist das dann oft mit Vorstellung und Realität. Das Einzige, was der gute Christian Stumfol mit dem bärtigen Typen aus der amerikanischen Provinz gemein hat, ist die Provinz. Aber überraschenderweise nicht die im mittleren Westen der USA, sondern die im südlichen Schwaben. Dabei ist es, wie so oft bei Singer-Songwritern, völlig egal, aus welcher provinziellen Ecke des Globus sie kommen. Das Futter, das diese Herkunft liefert, macht oftmals den Unterschied zwischen Singer-Songwritern und guten Singer-Songwritern.
So auch bei Christian Stumfol. Sein neuestes Werk PARETO besticht durch 12 wundervolle Folksongs, mal klassisch alleine mit Gitarre vorgetragen, mal mit rumpelnder Instrumentierung, die einen an die White Stripes zu Hotel-Yorba-Zeiten oder aber an die frühen Tocotronic denken lassen. Inhaltlich beschäftigt sich Stumfol mit dem oftmals tristen Dasein in der südschwäbischen Provinz, den Strapazen, mit denen er während seines staatlich verordneten Schikanierungscamps namens Referendariat zu kämpfen hatte, Fernbeziehungen, der Liebe zur Musik und seiner Definition von dem, was Heimat bedeutet. Dabei wirkt er nie resigniert, selten melancholisch, sondern man gewinnt den Eindruck, dass er sich mit alledem arrangiert hat und seine Songtexte eher eine Betrachtung aus der Metaebene darstellen.
Alles in allem eine der stärksten Songwriter-Platten in diesem Jahr. Soll noch mal einer sagen, die Provinz erzähle keine guten Geschichten, denn käme Christian Stumfol aus Berlin oder Hamburg, hätte dieses Album nicht ansatzweise so mitreißend geklungen.
VÖ: 15.11.2014; Homebound Records
Ohr d’oeuvre: Where the heart is, Take you back, The inner beauty
Tracklist:
01. Smarter
02. Where the heart is
03. Endless love
04. The inner beauty
05. Heart attack
06. Worth Waiting
07. Take you back
08. Perfect night
09. Back to the start
10. Liars blues
11. Hold on
12. Changes
Gesamteindruck: 8/10