Dass man von Jeff Beadle noch einiges hören wird, zeichnete sich bereits bei näherer Betrachtung des Debuts des Kanadiers im letzten Sommer ab. Dass dies jedoch so schnell geschehen würde, überrascht dann doch ein wenig.
Manchmal erlebt man als Redakteur eines Musik Magazins noch Überraschungen. So geschehen bei der neuen Platte des kanadischen Singer-/Songwriters Jeff Beadle. Dabei ist die Überraschung zunächst einmal nicht inhaltlicher Natur, sondern die Tatsache, wie aus dem Nichts ein neues Album von Beadle auf dem Tisch zu haben. Da die Vorabinformationen etwas dürftig sind, bietet es sich an, die Presseinfos zu „WHERE DID WE GET LOST“ zu Rate zu ziehen. Dort ist zu lesen, dass es sich bei den neun Songs auf dem Langspieler um Songs handelt, die aus Skizzen der vergangenen Jahre entstanden sind. Die erste Assoziation, die der geneigte Schreiberling in diesem Moment hat, ist die der geschickten Resteverwertung. Der zweite Gedanke ist der, dass man dem Album tunlichst nicht vorurteilsbehaftet entgegentreten sollte. Ein Gedanke der sich auszahlt. Auch wenn es sich um Songskizzen handelt, macht Beadle ähnlich wie auf seinem Vorgänger Album „THE HUNTING END“ einiges richtig. Hat man nach dem ersten Hördurchgang den Eindruck, dass das Album recht belanglos an einem vorbeirauscht, lohnt es sich, „WHERE DID WE GET LOST“ eine zweite oder sogar dritte Chance einzuräumen. Spätestens nach dem dritten Hören weiß man, dass man einen angenehmen und treuen Begleiter durch die manchmal etwas tristen Spätwinter-Tage gefunden hat. Schon der Opener „The One“ besticht durch Beadles durchdringende Ehrlichkeit, die in den Textzeilen „I wanna do it my way, I wanna do it my way, but don’t wanna disappoint the people that I love“ ihren Höhepunkt findet. Dabei ist es, wie bereits auf „THE HUNTING END“, bewundernswert, wie Beadle es schafft, den Hörer, trotz der äußerst reduzierten Instrumentierung, in seinen Bann zu ziehen. Es ist die Brüchigkeit seiner Stimme, gepaart mit der Direktheit seiner Texte, die ihn auch auf „WHERE DID WE GET LOST“ wohltuend von vielen anderen Singer-/Songwritern abhebt.
Man mag die Strategie, nur ein gutes halbes Jahr nach seinem Debut eine Platte mit Songskizzen nachzuschießen, nicht verstehen. Dies ist aber, wenn die Skizzen sich als durchweg wundervolle Songs entpuppen, auch gar nicht erforderlich.
VÖ.06.02.2015 – BUTTERFLY COLLECTORS
Ohr d’Oeuvre: The One, Where Did We Get Lost, How Calmly
Tracklist:
01 The One
02 Where Did We Get Lost
03 Lost Living
04 How Calmly
05 Single Mothers, Single Fathers
06 1st of July
07 The Hardest Part
08 The Letter
09 Lover Down
Gesamteindruck: 7,5/10